Prof. Dr. Franceska Werth
Leitsatz
1. Leistung im Sinne des § 7 Abs. 8 Satz 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) ist jedes Tun, Dulden oder Unterlassen, das die Hingabe von Vermögen bewirkt. Auch die Abtretung eines Anteils an einer Kapitalgesellschaft an diese selbst erfüllt den Leistungsbegriff.
2. § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG fingiert eine Schenkung. Die Freigebigkeit der Leistung an die Gesellschaft ist anders als beim Grundtatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG nicht Voraussetzung für die Steuerbarkeit.
3. Die Werterhöhung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft im Sinne des § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG ist nach den Regeln des § 11 des Bewertungsgesetzes zu ermitteln. Dazu ist der gemeine Wert des Anteils des Bedachten vor der Leistung an die Gesellschaft mit dem gemeinen Wert dieses Anteils nach der Leistung zu vergleichen.
4. Der gemeine Wert der (teil‐)unentgeltlich bewirkten Leistung bildet die Obergrenze für die Werterhöhung des Anteils nach § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG.
Normenkette
§ 7 Abs. 8 Satz 1, § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG, § 11, § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BewG
Sachverhalt
Der Kläger war Kommanditist der H-KG. Diese war Gesellschafterin der T-GmbH. Am 10.10.2013 wurde ein durch Erbanfall erworbener Anteil an der T-GmbH von den Erben zu einem Kaufpreis von 300.000 EUR an die T-GmbH abgetreten. Der Bestimmung des Kaufpreises lagen zwei Unternehmensbewertungen zum 31.12.2009 zugrunde, nach denen sich der Unternehmenswert der T-GmbH auf 1.000.000 EUR belaufen hatte. Mit an die T-GmbH gerichtetem Feststellungsbescheid stellte das örtlich zuständige FA den Wert des veräußerten Geschäftsanteils auf den 10.10.2013 auf 1.819.176 EUR fest.
Aufgrund der Differenz zwischen dem festgestellten Wert und dem vereinbarten Kaufpreis ging das FA von Schenkungen i.S.d. § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG der nicht an der H-KG beteiligten Miterben zugunsten der Kommanditisten der H-KG aus und setzte mit Bescheiden jeweils vom 12.11.2018 SchenkSt gegen den Kläger fest. Den Wert des Erwerbs ermittelte es, ausgehend vom Unterschiedsbetrag zwischen dem festgestellten Wert des Geschäftsanteils und dem vereinbarten Kaufpreis i.H.v. 1.519.176 EUR. Die Steuerbegünstigung nach §§ 13a, 13b ErbStG gewährte es nicht. Das FG wies die hiergegen erhobene Klage ab (Sächsisches FG, Urteil vom 6.5.2021, 8 K 34/21, Haufe-Index 14616424, EFG 2021, 2019).
Entscheidung
Die Revision war begründet. Sie führte zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung.
Hinweis
1. Nach § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG gilt als Schenkung auch die Werterhöhung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, die eine an der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar beteiligte natürliche Person (Bedachter) durch die Leistung einer anderen Person (Zuwendender) an die Gesellschaft erlangt. § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG fingiert eine Schenkung des an die Kapitalgesellschaft Leistenden an den mittelbar oder unmittelbar beteiligten (Mit‐)Gesellschafter, dessen Geschäftsanteil durch die Leistung eine Werterhöhung erfährt. Die Regelung verdrängt als Spezialtatbestand den Grundtatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG.
2. Vorliegend erfolgte durch die Anteilsabtretung eine Leistung an die T-GmbH i.S.d. § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG. Dies gilt ungeachtet dessen, dass der Vorgang für die T-GmbH einen Erwerb eigener Anteile darstellt. Entscheidend ist allein, dass der Leistende – aus seiner Perspektive – einen verkehrsfähigen, werthaltigen Gegenstand hingibt.
3.§ 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG verlangt – anders als der schenkungsteuerrechtliche Grundtatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG – keine freigebige Vermögensverschiebung. Maßgebend für die Steuerbarkeit nach § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG ist allein die Werterhöhung der Anteile der Gesellschaft.
4. Unerheblich ist auch, ob es sich bei der teilentgeltlichen Leistung um eine verdeckte Einlage nach § 17 Abs. 1 Satz 2 EStG handelt, da § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG keine freigebige Zuwendung voraussetzt. Dagegen kommt die Besteuerung einer verdeckten Einlage nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 7 Satz 1 ErbStG nicht in Betracht, da es sich bei der verdeckten Einlage in das Vermögen der Kapitalgesellschaft nach § 17 Abs. 1 Satz 2 EStG nicht zugleich um einen Erwerb durch freigebige Zuwendung des Veräußerers an die GmbH oder um einen Fall des § 7 Abs. 7 Satz 1 ErbStG handeln kann.
5. Die Höhe der Bereicherung nach § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG richtet sich bei der unmittelbaren Beteiligung an der Gesellschaft nach der Werterhöhung des Anteils des Bereicherten. Ist der Bedachte nur mittelbar an der Kapitalgesellschaft beteiligt, kommt es auf die – anteilig auf den mittelbaren Gesellschafter entfallende – Werterhöhung der unmittelbaren Beteiligung an der Kapitalgesellschaft an. Die Bereicherung kann nicht höher sein als der gemeine Wert der (teil‐)unentgeltlich bewirkten Leistung.
6. Bei einer teilentgeltlichen Übertragung von Gesellschaftsanteilen an die GmbH bestimmt sich der gemeine Wert der bewirkten Leistung nach der Differe...