1.1 Kauf bzw. Verkauf
An erster Stelle steht der Kauf bzw. Verkauf einer Steuerberatungskanzlei. Gekennzeichnet ist dieser Bewertungsanlass von den entgegengesetzten Interessen der Beteiligten. Während der Verkäufer einen möglichst hohen Kaufpreis erzielen möchte, um darüber ggf. auch seine Altersversorgung sicherzustellen, ist der Käufer daran interessiert, seine zukünftige Existenzgrundlage zu einem möglichst günstigen Preis zu erhalten. Hin und wieder ist dabei auch ein barsches Aufeinandertreffen der Parteien gegeben, welches möglichst zu verhindern, jedoch zumindest abzumildern ist. Der Kanzleiverkäufer ist an einem hohen Kaufpreis interessiert, nicht zuletzt, weil er sein Lebenswerk abgibt und auch immer gut von seiner Kanzlei gelebt hat. Der Erwerber hingegen ist an einem möglichst geringen Risiko interessiert und prüft ganz genau, ob die Rendite nach Ersatz des ehemaligen Kanzleiinhabers oder bei Ansatz der Eigenleistung noch angemessen erscheint. In der Praxis sollte man daher die eigenen Argumente ruhig und sachlich auf den Tisch legen und im Fall des Vorhandenseins eines Maklers auch diesen für Verhandlungen an den Tisch holen.
1.2 Eintritt bzw. Ausscheiden von Gesellschaftern
Das Ausscheiden von Gesellschaftern aus einer Steuerberatungsgesellschaft (Partnerschaftsgesellschaft, GbR, GmbH & Co. KG, Kapitalgesellschaft und anderen Rechtsformen, z. B. LLP) unterscheidet sich zum Verkauf einer ganzen Kanzlei häufig dadurch, dass die Anteile nicht frei am Markt verkauft werden. Meist übernehmen verbleibende Gesellschafter oder bisher angestellte Berufsträger die Anteile und zahlen dafür eine Abfindung, deren Ermittlung bereits im Gesellschaftsvertrag geregelt ist. Dennoch spielt die tatsächliche Durchführung der Wertermittlung die entscheidende Rolle. Zudem ist es gerade in mittelgroßen und großen Steuerberatungsgesellschaften üblich, dass Partner planmäßig ein- bzw. aussteigen. Ein nachvollziehbarer, fairer und planbarer Preis ist in diesem Zusammenhang mit Hinblick auf die gewünschte Kontinuität des Vorgangs besonders wichtig.
1.3 Zugewinnausgleich
Im Fall einer Ehescheidung ist mangels ehevertraglicher Regelungen die Wertermittlung der Steuerberatungskanzlei u. a. für die Zwecke des Zugewinnausgleichs von Bedeutung. Auch hier muss das Bewertungsziel ein objektivierter Praxiswert sein, da eine Ehescheidung von Interessensgegensätzen geprägt ist. Besonderheit hier: Laut BGH sind die Ertragsteuern, die bei einer Veräußerung anfallen würden, als latente Steuerlast wertmindernd zu berücksichtigen. Viele Kanzleien versuchen daher bereits im Kanzleivertrag eine Verpflichtung einzubauen, wonach die Partner einen Ehevertrag zur Abmilderung etwaiger Probleme abschließen. Welcher inhaltliche Weg dabei gewählt wird, ist eine Einzelfallentscheidung.
1.4 Todesfall
Bei Tod des Kanzleiinhabers ist die Wertermittlung insbesondere für die Erbauseinandersetzung von Bedeutung. Im Einzelfall wird es zu einer Fortführung der Kanzlei durch einen Erben kommen (soweit ein Berufsträger unter den Erben ist) oder der schnelle Verkauf sollte angestrebt werden. Es stellt sich also die Frage nach der Zerschlagung oder der Fortführung, weshalb im Weiteren auch die individuellen Umstände über die konkrete Bewertungsmethode entscheiden. Insbesondere wenn ein Fremdverkauf angestrebt wird, sollten schon zu Lebzeiten Maßnahmen für den Werterhalt der Kanzlei getroffen werden, z. B., dass für solche Fälle befreundete Berufskollegen als Praxisabwickler etc. eingeplant sind.