3.1 Personenbezogenheit
Bei den Besonderheiten im Zusammenhang mit der Wertfindung einer Steuerberatungskanzlei muss im Vergleich mit anderen Unternehmungen in erster Linie die Personenbezogenheit genannt werden. Der Erfolg einer Steuerberatungskanzlei hängt maßgeblich von der Person des Inhabers, also von dem konkreten Menschen ab. Der Kanzleiinhaber baut die Beziehung zum Mandanten auf. Das Vertrauensverhältnis ist von entscheidender Bedeutung für die Höhe der zukünftigen und vor allem nachhaltig zu erzielenden Erträge.
Im Rahmen der Praxisbewertung ist daher eine genaue Mandantenanalyse besonders wichtig, da der Goodwill einer Kanzlei nicht ohne flankierende Maßnahmen, z. B. in Form einer Übergangszeit oder anderer mandantenspezifischer Maßnahmen, übertragen werden kann. Dies wird schon daran deutlich, dass sich der Praxiswert aus einer Summe personenbezogener Faktoren bildet. Zusammensetzung des Mandantenstamms und Bekanntheitsgrad des bisherigen Inhabers sind hier beispielhaft zu nennen. Der Substanzwert der Kanzlei spielt hingehen für die eigentliche Wertermittlung keine oder nur eine untergeordnete Rolle. Die wirkliche Substanz einer Kanzlei sind ihre Mandanten.
In dieser enormen Personenbezogenheit ist auch der Umstand beheimatet, dass im unerwarteten Todesfall des Praxisinhabers ein unmittelbarer Wertverlust, mangels Überleitung vom Altinhaber zum Neuinhaber der Kanzlei die Folge ist. Da Kanzleien mit einem Einzelsteuerberater seltener zu werden scheinen, kann es sein, dass die Personenbezogenheit in den Hintergrund rückt, weil in Sozietäten mehrere Inhaber einen entsprechenden Mandantenkontakt haben. Dies ist aber nicht überall so, so dass die Personenbezogenheit der Mandanten nach wie vor ein wichtiges Kriterium ist.
3.2 Verschwiegenheitspflicht
Als berufliche Besonderheit des Steuerberaters ist seine berufsrechtliche Verschwiegenheitspflicht i. S. v. § 57 Abs. 1 StBerG zu nennen. Darunter fallen alle Verhältnisse der Mandanten, auch wenn das Mandat bereits durch Tod von Steuerberater oder Mandant beendigt ist.
Im Rahmen der Praxisbewertung darf daher einem möglichen Erwerber ohne ausdrückliche Einwilligung des Mandanten kein Einblick in die Mandantenakten gewährt werden. Es bedarf insoweit einer Einverständniserklärung des Mandanten zur Offenlegung der Unterlagen. Ohne eine solche Erklärung dürfen dem potenziellen Erwerber allenfalls eine anonymisierte Mandantenliste bzw. sonstige Unterlagen ohne konkreten Mandantenbezug vorgelegt werden. Auch für den Übergang des Mandats auf einen neuen Kanzleiinhaber bedarf es der Zustimmung des Mandanten. Im Weiteren wird daher auf die Hinweise der Bundessteuerberaterkammer für die Praxisübertragung hingewiesen.
3.3 Verbot der Praxisfortführung durch Erben, die nicht Berufsträger sind
Um eine Steuerberatungskanzlei führen zu können, muss der Inhaber zwingend zur uneingeschränkten Hilfe in Steuersachen befugt sein. Schon bei einer einmonatigen Verhinderung ist zwingend ein Vertreter zu bestellen. Sofern daher im Todesfall des Steuerberaters keiner der Erben ein Berufsträger ist, kommen nur 2 Möglichkeiten in Betracht: Entweder der schnellstmögliche Verkauf der Kanzlei wird angestrebt oder ein Praxisabwickler wird gem. § 70 StBerG bestellt. Strebt hingegen ein Erbe an, die Befugnis zur uneingeschränkten Hilfeleistung in Steuersachen zu erwerben, besteht die Möglichkeit für einen Zeitraum von maximal 4 Jahren, einen Treuhänder der Kanzlei vorzusetzen.