4.1 Vor- und Nachteile
Die Grundlage des Ertragswertverfahrens ist der künftig nachhaltig erzielbare Ertrag der Kanzlei. Der Unternehmenswert ermittelt sich dann aus dem Barwert aller zukünftigen Nettoeinnahmen. Der Ertragswert sichert die Zukunftsbezogenheit der Wertermittlung. Vorteile des Ertragswertverfahrens bestehen in der Detailplanung der fixen und variablen Kosten sowie der Berücksichtigung der jeweiligen Chancen und Risiken. Mögliche Zukunftsverläufe können im Einzelnen berücksichtigt werden, weshalb die Ertragswertermittlung zu fundierten, nachvollziehbaren und vergleichbaren Ergebnissen führt. Nachteile bestehen allerdings auf der anderen Seite in der komplexen Durchführung und insbesondere bei der schwierigen Wahl des Kapitalisierungszinsfußes.
4.2 Überschussprognose
Die Prognose basiert auf einer Vergangenheitsanalyse der letzten 3-5 Jahre. Im Rahmen einer Bestandsaufnahme werden die relativen Stärken und Schwächen der infrage stehenden Kanzlei ermittelt und daraus die Chancen und Risiken abgeleitet. Gerade mit Blick auf die Corona-Jahre bieten sich längere Zeiträume als die üblichen 3 Jahre an, um etwaige Schwankungen auszugleichen. Ebenso sind sonstige Sondereffekte, wie z. B. die Grundsteuerreform, genau zu beleuchten. Der zukünftige Geschäftsumfang wird auf diese Weise geschätzt. Im Rahmen dieser Prognose ist ebenfalls zu berücksichtigen, wie hoch die personenbezogene Ertragskraft der Kanzlei ist und ob diese Ertragskraft bei der Unternehmensveräußerung auch vollständig übertragen werden kann. Gerade bei einer engen persönlichen Mandantenbeziehung des abgebenden Beraters muss daher eine Minderung des Ertrags allein durch den Wegfall dieser Beziehung berücksichtigt werden.
Im Gegensatz zum Umsatzverfahren müssen beim Ertragswertverfahren auch die zukünftigen Kosten kalkuliert werden. Bei Steuerberatungskanzleien sind dabei insbesondere die Personalkosten zu kalkulieren, da sie einen wesentlichen Teil der Gesamtkosten in der üblichen Steuerberatungspraxis darstellen. In diesem Zusammenhang ist auch der Unternehmerlohn nicht außen vor zu lassen.
Die Ermittlung eines Unternehmerlohns kann nicht allgemeinverbindlich festgelegt werden. Der reine Vergleichswert eines fremden, nicht am Unternehmen beteiligten Geschäftsführers scheint jedoch zu niedrig. Insbesondere kommen auf dieser Basis daher Zuschläge für längere Arbeitszeiten, unternehmerisches Risiko, Kosten der sozialen Absicherung und vieles mehr in Betracht. Ggf. sind auch Zuschläge beim Unternehmerlohn für Spezialkenntnisse vorzunehmen. Auch regionale Gegebenheiten sind bei der Bestimmung des Unternehmerlohns zu berücksichtigen.
4.3 Kapitalisierungszinssatz
Der Kapitalisierungszinssatz ist ein entscheidendes Kriterium für das schlussendliche Ergebnis im Ertragswertverfahren. Er ermittelt sich aus dem risikofreien Basiszinssatz der Deutschen Bundesbank sowie einem individuellen Risikozuschlag. Der Risikozuschlag ergibt sich aus der allgemeinen Marktrisikoprämie multipliziert mit den unternehmensindividuellen Risikofaktoren (Beta-Faktoren). Für die Marktrisikoprämie Im Gegensatz zum Umsatzverfahren müssen beim Ertragswertverfahren auch die zukünftigen Kosten kalkuliert werden. Für die Marktrisikoprämie liegt für den deutschen Kapitalmarkt eine veröffentlichte Empfehlung des Fachausschusses für Unternehmensbewertung und Betriebswirtschaft (FAUB) des IDW vor, die bei Veränderungen der Situation in größeren Abständen angepasst wird. Der Beta-Faktor bestimmt sich in Abhängigkeit von den inhärenten Risiken im Vergleich zum Markt. Ohne Vergleiche mit börsennotierten Unternehmen muss der Beta-Faktor ggf. in jedem Einzelfall sachgerecht geschätzt werden. In Unterscheidung solcher kapitalmarktorientierten Unternehmen sind für Steuerberatungskanzleien nach Aussage der Bundessteuerberaterkammer insbesondere folgende Faktoren zu berücksichtigen:
- fehlende Diversifikation bei der unternehmerischen Tätigkeit,
- kleine Unternehmensgröße sowie
- geringere Fungibilität im Vergleich zu Aktien.