Bei diesem, in der Praxis immer noch vorherrschenden, Preisfindungsverfahren wird ausgehend vom Umsatz unter Anwendung eines individuellen Multiplikators ein Wert ermittelt. Der so ermittelte Wert stellt nicht den konkreten und richtigen Kaufpreis dar, sondern soll die Verhandlungsbasis für den auszuhandelnden Kaufpreis sein.
Die Bemessungsrundlage beim Umsatzverfahren ist der zukünftig nachhaltig zu erzielende Jahresumsatz, der aufgrund der bestehenden und übertragbaren Mandantenverhältnisse sowie der erteilten Aufträge erzielt werden kann. Gegenstand ist daher nur der Umsatz, der auch übergehen kann. Einmalaufträge (z. B. Erbschaftsteuererklärungen) der Vergangenheit sind daher herauszurechnen, sofern im Durchschnitt der letzten Jahre nicht permanent ein bestimmer Teil des Gesamtumsatzes auf solche Einmalaufträge entfiel.
Die anonymisierte Mandantenliste, die Bestandteil jedes Praxisübertragungsvertrags sein sollte, ist die Grundlage für die Schätzung der zukünftig nachhaltigen Umsätze. Je genauer und detaillierter die Mandantenliste ist, desto exakter kann ein Wert ermittelt werden. So spielt häufig auch die Überalterung des Mandantenstamms eine entscheidende Rolle, ebenso die regionale Verteilung der Mandate usw. Die Anonymität der Mandanten muss jedoch unbedingt gewahrt bleiben.
Die Mandantenliste sollte zu jedem Mandat die Umsätze der letzten 3 Jahre, ggf. sogar über einen längeren Zeitraum, getrennt nach Tätigkeitsfeldern, enthalten. Ebenso sind Angaben zur Mandantenstruktur bedeutsam. Hierunter sind Angaben zu Branchen, Rechtsformen, Alter der Mandanten, Dauer der Mandantenbeziehung und der persönlichen Bindung zu verstehen. Ebenso ist von enormer Bedeutung, ob Mandanten miteinander verbunden sind und allein dadurch ein "Klumpenrisiko" besteht. Auch Angaben zur Honorarstruktur (nach StBVV, gesonderte Honorarvereinbarungen oder Pauschalen) sind hilfreich.
Neben dem Umsatz und einem Überblick über die bestehenden Mandantenverhältnisse ist das Personal des Steuerberaters für die Schätzung des zukünftig nachhaltig zu erzielenden Umsatzes von entscheidender Bedeutung. Dies gilt umso mehr in Zeiten des Fachkräftemangels. Qualifikation und Lebensalter der Mitarbeiter sind dabei wichtig, ebenso wie die Dauer der Kanzleizugehörigkeit sowie die Frage nach dem Verbleib in der Kanzlei nach deren Übertragung.
Nicht nur, aber insbesondere im Todesfall des bisherigen Kanzleiinhabers stellen sich erhöhte Anforderungen an die Praxisorganisation, die sich im Endeffekt auch bei der Preisfindung niederschlagen.
- Ist eine Übernahme überhaupt ohne Überleitung des Altinhabers möglich?
- Sind bisherige Arbeitsabläufe dokumentiert und interne Strukturen nachvollziehbar?
- Bestehen konkrete Arbeitsanweisungen für die einzelnen Mandate?
Im Hinblick auf weitere Punkte zur Praxisorganisation wird auf die Verlautbarung der Bundessteuerberaterkammer zur Qualitätssicherung in der Steuerberaterpraxis verwiesen.
Unter Beurteilung der zuvor genannten Punkte wird im Rahmen der Einzelbewertung der Mandantenliste der Zukunftswert der Kanzlei in Form des nachhaltig erzielbaren Umsatzes ermittelt. Nachhaltig bedeutet dabei, dass der Umsatz aus Sicht des Bewertungszeitpunkts für die nächsten 3-5 Jahre angenommen werden kann.
Sofern bei der Einzelbewertung noch nicht geschehen, erfolgt eine weitere Modifizierung der Bemessungsgrundlage. So werden unregelmäßige oder einmalige Umsätze herausgerechnet und mit dem Durchschnitt der letzten 3 Jahre angesetzt. Insbesondere Erbschaft- oder Schenkungssteuergestaltungen, die Teilnahme an Betriebsprüfungen oder sonstige besondere Beratungen fallen in diese Kategorie.
Im Weiteren sind dann noch sog. personengebundene Leistungen aus der Bemessungsgrundlage zu eliminieren. Testamentsvollstreckervergütungen oder personengebundene Vortragsleistungen oder Autorentätigkeiten des bisherigen Kanzleiinhabers sind hier beispielhaft zu nennen.
Im Rahmen einer abschließenden Modifikation der Bemessungsgrundlage ist zu prüfen, ob ein Zuschlag für bereits vom Kanzleiverkäufer vereinbarte Auftragserweiterungen oder größere Neumandatierungen vorgenommen werden muss. Demgegenüber steht ein eventueller Abschlag wegen bereits im Bewertungszeitpunkt zu erwartenden Umsatzrückgängen.
Ausdrücklich weist die Bundessteuerberaterkammer darauf hin, dass im Fall des Versterbens eines Praxisinhabers das Umsatzverfahren nicht zu einem realitätsgerechten Ergebnis führen wird, weil in solchen Fällen i. d. R. sofort ein Wertverlust zu verzeichnen ist. Soll dennoch das Umsatzverfahren Anhaltspunkte für den Kanzleiwert liefern, müssen entsprechende Abschläge beim Umsatz vorgenommen werden und/oder ein niedriger Multiplikator (häufig deutlich unter 1) gewählt werden.