Prof. Dr. Reinhold Hölscher, Prof. Dr. Hendrik Kunz
Den Ausgangspunkt der Arbeiten von Rappaport bildete die Diskussion über die Schwächen der traditionellen buchhalterischen Gewinngrößen, die in der Unternehmenspraxis zur Operationalisierung des monetären Erfolgszieles traditionell eine große Bedeutung besitzen. Den buchhalterischen Kenngrößen ist gemeinsam, dass sie auf periodisierten Vergangenheitsgrößen des Rechnungswesens aufbauen. Somit können diese Kenngrößen lediglich den in der Vergangenheit erwirtschafteten Erfolg messen. Eine Aussage über den in der Zukunft zu erwartenden Erfolg ist mit diesen Kennzahlen nur sehr eingeschränkt möglich. Des Weiteren sind Kenngrößen des Rechnungswesens vergleichsweise einfach durch bilanzpolitische Maßnahmen zu manipulieren. In diesem Zusammenhang können beispielsweise die Rückstellungsbildung, die Wahl der Abschreibungsmethode oder die verschiedenen Verbrauchsfolgeverfahren zur Bewertung des Materialeinsatzes im Produktionsprozess genannt werden. Des Weiteren existieren in der Buchhaltung zahlreiche Aktivierungsverbote, welche zu einem verzerrten Bild der tatsächlichen Unternehmenslage führen. Zukunftsträchtige Investitionsprojekte (z.B. Forschungs- und Entwicklungsprojekte) spiegeln sich somit nicht in der Vermögenslage des Unternehmens wider. Wird ergänzend hierzu das Management an traditionellen Kennzahlen gemessen und vergütet, so werden gegebenenfalls Erfolg versprechende Investitionen vor dem Hintergrund kurzfristiger bilanzieller Belastungen unterlassen. Diese Kritik an den traditionellen bilanziellen Kennzahlen begründet die Notwendigkeit einer Beschäftigung mit alternativen Messkriterien für den Unternehmenserfolg (vgl. Schmid-Grotjohann, 2001, S. 380, und Pape, 2003, S. 37).
Finanzwirtschaftliche Orientierung
Die wertorientierte Unternehmensführung löst sich von den bilanziellen Kennzahlen und stellt stattdessen die finanzwirtschaftlichen Interessen der Eigentümer in den Vordergrund. Eine zentrale Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang dem Begriff des Shareholder Value zu. Dieser bezeichnet den Wert einer Unternehmung für die Eigentümer, ausgedrückt über den Marktwert des Eigenkapitals. Fundamentalanalytisch lässt sich der Marktwert des Eigenkapitals bestimmen, indem die zukünftigen Netto-Einzahlungen an den Investor auf den Gegenwartszeitpunkt diskontiert werden. Dabei kann das investitionstheoretisch fundierte Discounted-Cashflow-Verfahren (DCF-Verfahren, siehe Cashflow) zur Unternehmenswertermittlung eingesetzt werden. Man unterscheidet prinzipiell zwei verschiedene DCF-Verfahren:
Mit Hilfe des Equity-Verfahrens wird der Marktwert des Eigenkapitals direkt ermittelt. Die zukünftigen Zahlungsströme an die Eigenkapitalgeber werden mit dem Eigenkapitalkostensatz auf den heutigen Zeitpunkt diskontiert. Zur Berechnung der Eigenkapitalkosten existieren in Theorie und Praxis verschiedene Verfahren. Häufig wird jedoch auf das kapitalmarkttheoretische Capital Asset Pricing Model (CAPM) zurückgegriffen.
mit: |
CFtNetto |
= |
Zahlungsstrom an die Eigenkapitalgeber der Periode t |
|
kEK |
= |
Eigenkapitalkostensatz |
Im Entity-Verfahren wird der Marktwert den Eigenkapitals indirekt bestimmt. Zunächst wird der Marktwert des Gesamtunternehmens durch Diskontierung der Zahlungsströme an alle Kapitalgeber (Eigen- und Fremdkapitalgeber) mit Hilfe eines gewichteten Kapitalkostensatzes ermittelt. Von dem Marktwert des Gesamtunternehmens ist dann der Marktwert des Fremdkapitals zu subtrahieren, welcher sich aus den mit dem Fremdkapitalkostensatz diskontierten Zinszahlungen ergibt.
mit: |
CFtBrutto |
= |
Zahlungsstrom an die Eigen- und Fremdkapitalgeber der Periode t |
|
CFtFKG |
= |
Zahlungen an die Fremdkapitalgeber der Periode t |
|
WACC |
= |
gewichteter Kapitalkostensatz |
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kFK |
= |
Fremdkapitalkostensatz |
Discounted Cashflow-Verfahren
Das DCF-Verfahren bildet die theoretische Grundlage des Shareholder-Value-Konzeptes von Rappaport. Ein dem DCF-Verfahren sehr ähnliches Konzept zur Bestimmung des Marktwertes des Eigenkapitals ist das so genannten Residual- oder Übergewinnverfahren. Im Kern geht es bei dem Residualgewinn in einem ersten Schritt um die Ermittlung eines (Brutto-)Gewinns, von dem dann im zweiten Schritt die Kapitalkosten des investierten Kapitals abgezogen werden. Durch Diskontierung der zukünftigen Residualgewinne mit dem Kapitalkostensatz lässt sich wiederum der Marktwert des Eigenkapitals bestimmen. Ein Beispiel für ein auf der Residualgewinnmethode aufbauendes wertorientiertes Unternehmensführungskonzept ist das Economic-Value-Added-Konzept (EVA-Konzept). Sowohl die Discounted-Cashflow-Verfahren als auch die Übergewinnverfahren führen unter bestimmten Bedingungen theoretisch zum gleichen Ergebnis. Den Beweis dafür hat Lücke im Jahre 1955 erbracht (Lücke-Theorem).
Bei einem börsennotierten Unternehmen kann der Shareholder Value auch direkt über den Aktienkurs ermittelt werden. Der aktuelle am Markt gehandelte Wert des Eigenkapitals ergibt sich aus der Multiplikation der Anzahl der Aktien mit dem Aktienkurs. Bei nichtbörsennotierten Unternehmen k...