Prof. Dr. Stefan Müller, Patrick Saile
5.4.2.1 Einheitlicher Preis für Option und Anleihe
Rz. 166
Bei der Ausgabe der Optionsanleihe werden die Schuldverschreibung und das Optionsrecht zu einem einheitlichen Preis ausgegeben. Dieser ist daher zum Teil Anschaffungskosten des Wirtschaftsguts Schuldverschreibung und zum Teil Anschaffungskosten des Wirtschaftsguts Optionsrecht, ist daher auf die beiden Wirtschaftsgüter Schuldverschreibung und Optionsrecht aufzuteilen.
Rz. 167
Die Schuldverschreibung verkörpert ein Darlehen. Es wird der Schuldnerin Kapital gegen Zinsen zur Verfügung gestellt. Das Optionsrecht gewährt das Recht, nach Ablauf einer bestimmten Frist Aktien zu einem festgelegten Preis zu erwerben.
5.4.2.2 Offenes Aufgeld
Rz. 168
Wird die Anleihe marktüblich verzinst, wird für das dem Zeichner gewährte Bezugsrecht ein über den Rückzahlungsbetrag hinausgehendes Aufgeld erhoben.
Eine Optionsanleihe wird zu einem Preis von 115 EUR ausgegeben. Die Anleihe soll zum Nennwert von 100 EUR zurückgezahlt werden. Bezogen auf den Nennwert von 100 EUR ist die Verzinsung der Anleihe marktüblich. Der Mehrbetrag von 15 EUR ist daher das Entgelt für das Optionsrecht.
In dem Beispiel wird die Optionsanleihe mit einem Aufgeld auf den Nennwert ausgegeben. Man spricht daher von einer "Überpari-Emission". Das Aufgeld wird offen ausgewiesen. Es handelt sich um ein sog. offenes Aufgeld.
Rz. 169
Die Verzinsung eines Darlehens und damit auch einer Schuldverschreibung ist das Entgelt für die Nutzungsüberlassung des Darlehensbetrags. Die Verzinsung einer Optionsanleihe bezieht sich auf ihren Nennbetrag. Bei der Überpari-Emission entspricht der Rückzahlungsbetrag der Schuldverschreibung ihrem Nennbetrag. Ist die Verzinsung einer Überpari-Emission bezogen auf den Nennbetrag marktgerecht, so ist sie auch marktgerecht bezogen auf den Rückzahlungsbetrag. Die Schuldverschreibung wird also marktgerecht verzinst.
Rz. 170
Die emittierende Aktiengesellschaft hat die Schuldverschreibung mit dem Erfüllungsbetrag zu passivieren (§ 253 Abs. 1 Satz 2 HGB). Den Betrag, den sie für Optionsrechte zum Erwerb von Aktien erzielt, hat sie der Kapitalrücklage zuzuführen (§ 272 Abs. 2 Nr. 2 HGB).
Rz. 171
Der bei der Ausgabe der Optionsanleihe erhaltene Mehrbetrag, das sog. Agio, ist nicht durch laufende Geschäfte des Unternehmens erzielt worden und gehört daher nicht zum Geschäftserfolg des Geschäftsjahrs. Er darf nicht ausgeschüttet werden. Das wird durch die Einstellung in die Kapitalrücklage verhindert.
Im vorstehenden Beispiel wird bei der Ausgabe der Optionsanleihe bei der Emittentin gebucht:
Bank |
115 EUR |
|
an Schuldverschreibung |
100 EUR |
an Kapitalrücklage |
15 EUR |
Aus Sicht der Aktiengesellschaft sind 100 EUR zurückzuzahlen, beträgt also die Anleihe 100 EUR. Das kommt besser zum Ausdruck, wenn die vorstehende Buchung aufgeteilt wird:
Bank |
100 EUR |
|
an Anleihe |
100 EUR |
Bank |
15 EUR |
|
an Kapitalrücklage |
15 EUR |
Der Mehrbetrag der 2. Buchung in Höhe von 15 EUR ist das Entgelt für die Option.
Rz. 172
Wenn später das Optionsrecht ausgeübt wird, hat das keinen Einfluss auf die Kapitalrücklage. Auch wenn das Optionsrecht nicht in Anspruch genommen wird, darf die Kapitalrücklage nicht ergebniswirksam aufgelöst werden. Eine einmal gebildete Kapitalrücklage darf nur zu den in § 150 Abs. 3 und 4 AktG genannten Zwecken aufgelöst werden. Andernfalls ist der Jahresabschluss nichtig (§ 256 Abs. 1 Nr. 4 AktG).
Rz. 173
Auch steuerlich wird das Agio in die Kapitalrücklage eingestellt. Eine sofortige oder bei Nichtausübung der Option spätere Buchung über Ertrag wäre eine Abweichung der steuerlichen Behandlung von einer für das Handelsrecht gesetzlich klar geregelten Bilanzierung, wobei ein Verstoß hiergegen sogar mit der Sanktion der Nichtigkeit des Jahresabschlusses bedroht ist. Steuerlich kann nicht etwas gelten, was das Handelsrecht unter Androhung nachteiliger Folgen verbietet.
Der Erwerber bucht:
Forderung |
100 EUR |
Optionsrecht |
15 EUR |
|
an Bank |
115 EUR |
5.4.2.3 Verdecktes Aufgeld
Rz. 174
Im Fall des verdeckten Aufgelds wird bei der Ausgabe der Anleihe kein Aufgeld erhoben. Dafür liegt die Verzinsung der Schuldverschreibung unter der marktüblichen.
Rz. 175
Das Optionsrecht soll in den Erwerbern das Interesse wecken, die Anleihe trotz der Unterverzinslichkeit zu erwerben. Wirtschaftlich kann man in der Unterverzinslichkeit das Entgelt für das Optionsrecht sehen. Das ergibt sich auch aus dem Bericht des Rechtsausschusses zu § 272 Abs. 2 Nr. 2 HGB, wonach die Gegenleistung für die Hingabe von Wandlungsrechten und Optionsrechten zum Erwerb von Anteilen u. a. auch in der Einräumung eines unter dem Kapitalmarktzins liegenden Zinssatzes bestehen kann.
Rz. 176
Der Ausgabepreis für die Optionsanleihe betrifft daher die Schuldverschreibung und das Optionsrecht. Hier spricht man von einer "Pari-Emission". Ausgabepreis für die Optionsanleihe und Rückzahlungsbetrag der Schuldverschreibung sind gleich. Das Entgelt für das Optionsrecht ist im Ausgabepreis, dem Nennwert der Optionsanleihe, verdeckt enthalten. Es w...