Prof. Dr. Stefan Müller, Patrick Saile
7.4.1 Klassifizierung
Rz. 227
Die Bewertung von Finanzinstrumenten ist von deren Klasse abhängig. Entsprechend muss zunächst die Klassifizierung vorgenommen werden, bevor entsprechend der Klasse bewertete werden kann. Die Klasse entscheidet darüber, nach welchem Bewertungsmodell bewertet wird und ob Wertänderungen erfolgswirksam oder erfolgsneutral erfasst werden.
Rz. 228
Hierbei sind folgende Klassen möglich:
Finanzielle Vermögenswerte |
Bwertungssystem |
Kategorie AC (financial instruments at amortised costs) |
Finanzinstrumente, welche zu Anschaffungskosten folgebewertet werden |
Kategorie FVOCI (financial assets at fair value through other comprehensive income) |
Finanzielle Vermögenswerte, die GuV-neutral zum beizulegenden Zeitwert bewertet werden |
Kategorie FVTPL (financial instruments at fair value through profit or loss) |
Finanzinstrumente, die GuV-wirksam zum beizulegenden Zeitwert bewertet werden |
Rz. 229
Abb. 3: Klassifizierung von financial liabilities
Wertpapiere können in Form von Fremdkapitalinstrumenten (wie z. B. Anleihen) oder Eigenkapitalinstrumenten (wie z. B. Aktien) vorliegen. Die Abbildung zeigt, wie diese Wertpapiere zu klassifizieren sind.
Rz. 230
Hierbei stellt das Geschäftsmodell-Kriterium eine subjektive Bedingung dar und ist damit quasi ein Wahlrecht. Fraglich ist in diesem Zusammenhang, ob ein Wertpapier lediglich zur Vereinnahmung vertraglicher Zahlungsströme aus dem finanziellen Vermögenswert gehalten wird oder zusätzlich Veräußerungsabsicht besteht. Entsprechend handelt es sich um eine subjektive Einordung, die durch tatsächliche Verhältnisse gestützt werden muss (IFRS 9.B4.1.2B). Unwahrscheinliche Szenarien (worst case/stress case), wie z. B. ein möglicher Zwangsverkauf bei Illiquidität, dürfen jedoch nicht berücksichtigt werden (IFRS 9.B4.1.2A).
Von Handel ist gem. IFRS 9.A auszugehen bei kurzfristigem Verkauf oder Zurückkauf, beim erstmaligen Ansatz eines Teils eines Portfolios in dem es in jüngerer Vergangenheit kurzfristige Gewinnmitnahmen gab oder wenn ein Derivat vorliegt.
Das Geschäftsmodell-Kriterium wird in der Portfoliobetrachtung bestimmt (IFRS 9.B4.1.2). Dabei werden mehrere finanzielle Vermögenswerte zu Portfolios zusammengefasst, wobei ausschlaggebend ist, welches Geschäftsziel mit dem Instrument erreicht werden soll. Dabei können mehrere Geschäftsziele verfolgt werden.
Rz. 231
Das Cashflow-Kriterium stellt hingegen eine objektive Bedingung dar, die nicht von Disposition durch Unternehmen abhängig ist. Der Regelungszweck dieses Kriteriums war ursprünglich, dass elementare Kreditvereinbarungen (basic lending arrangements) einfach mittels der Effektivzinsmethode abgebildet werden können (IFRS 9.B4.1.7A). Die Anforderung, dass die dem Vermögenswert zugrunde liegenden Vertragsbedingungen ausschließlich zu festgelegten Zahlungsströmen führen, die Zinsen und Tilgungen auf den Kapitalbetrag darstellen (IFRS 9.4.1.2), kann jedoch auch auf Anleihen o. Ä. zutreffen. Hierbei ist die Tilgung jede Zahlung, die den ausstehenden Kapitalbetrag reduziert. Dieser ist der beizulegende Zeitwert beim erstmaligen Ansatz (IFRS 9.4.1.3(a)). Zinsen sind hingegen vertraglich festgelegte Entgelte für (IFRS 9.4.1.3(b)) den Zeitwert des Geldes, das Ausfallrisiko, andere grundlegende Risiken (z. B. Liquiditätsrisiko (IFRS 9.B4.1.7A)), die Kosten des Kreditgeschäfts sowie eine Gewinnmarge.
Bei der Anwendung des Cashflow-Kriteriums gilt eine De-Minimis-Regelung für weitere Beträge sowie für extrem unwahrscheinliche Zahlungen (IFRS 9.B4.1.18).
Rz. 232
Bei Fremdkapitalinstrumenten besteht trotz Erfüllen des Geschäftsmodell- und Cashflow-Kriteriums die Möglichkeit, zur optionalen Zuordnung zur Kategorie FVPL anstatt AC bzw. FVOCI. Voraussetzung zur Anwendung dieser Fair-Value-Option ist, dass durch deren Anwendung Rechnungslegungsanomalien (accounting missmatch) vermieden oder reduziert werden (IFRS 9.4.1.5). Diese liegen vor, wenn bestimmte finanzielle Vermögenswerte und finanzielle Schulden bezüglich Wertänderungen und Ertragsrealisation unterschiedlich erfasst werden, jedoch ein wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen diesen Vermögenswerten und Schulden besteht (IFRS 9.BCZ4.61). Diese Wahl ist unwiderruflich und muss bereits beim erstmaligen Ansatz für das gesamte asset getroffen werden.
Entsteht die Inkongruenz erst beim späteren Ansatz von Vermögenswert bzw. dazugehöriger Schuld, kann das Optionsrecht ausgeübt werden, wenn zwischen Ansatz von Vermögenswert und Verbindlichkeit eine angemessene Verzögerung vorliegt (IFRS 9.B4.1.31).
Die Anwendung der Option anstatt der Verwendung des Hedge Accounting ist zulässig, wenn dieses zu komplex oder nicht zielführend ist (IFRS 9.BCZ4.61).
Rz. 233
Ein vergleichbares Optionsrecht besteht mit der Fair-Value-Through-OCI-Option für Eigenkapitalinstrumente wie Aktien. Hier erfolgt dann die optionale Zuordnung zur Kategorie FVOCI anstatt FVPL (IFRS 9.5.7.5). Dies ist nicht möglich, wenn das equity instrument zu Handelszwecken gehalten (z. B. strat. Beteiligung) wird, das Instrument eine vom Erwe...