1.1 Zusammenhänge zwischen Wertschätzung und Gesundheit
Der Zusammenhang zwischen Gesundheit und Wertschätzung wird immer dort besonders deutlich, wo Wertschätzungsdefizite auftreten. Wenn Menschen sich durch Missachtung gekränkt fühlen, steigt ihr Blutdruck, die Muskeln werden angespannt, die Atmung wird oberflächlicher, der Pulsschlag geht nach oben, die Stimmung wird gereizt, das Verhalten aggressiv – der Mensch geht in "Hab-Acht-Stellung".
Im Gegensatz dazu hat Wertschätzung zahlreiche gesundheitsfördernde Effekte: Sie
- reduziert Ängste,
- sorgt für Entspannung und
- steigert das Wohlbefinden durch Freisetzung von Endorphinen und Oxytozin (dem sog. Vertrauenshormon). Zudem wird das Depressionsrisiko reduziert.
Für den betrieblichen Kontext sind darüber hinaus folgende Effekte der Wertschätzung von Bedeutung: Die Arbeitsfähigkeit älterer Beschäftigter wird verbessert, sobald man sich durch den direkten Vorgesetzten wertgeschätzt fühlt. Und sog. Gratifikationskrisen werden vermieden. Darunter versteht man ein Ungleichgewicht zwischen Verausgabung und Belohnung. Wenn also ein Mitarbeiter den Eindruck hat, seine Tätigkeit würde nicht hinreichend gewürdigt in Form von Lohn, Aufstiegschancen, Entwicklungsmöglichkeiten oder Imagesteigerung, dann gerät er in eine Gratifikationskrise. Diese geht mit einem erhöhten Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen einher.
Neben den gesundheitlichen Effekten spielt das Thema Wertschätzung auch im Zusammenhang mit Motivation und Mitarbeiterbindung eine wichtige Rolle: Wer der Meinung ist, dass seine Arbeit nicht gesehen wird oder er als Person nicht zur Kenntnis genommen wird, reduziert langfristig sein Engagement oder sucht sich einen anderen Arbeitgeber. Wertschätzung ist damit zugleich ein Gesundheits- und ein Produktivitätsfaktor.
1.2 Psychosozialer Arbeitsschutz und Unternehmenskultur
Psychosozialer Arbeitsschutz hat zum Ziel, die zwischenmenschlichen Arbeitsbedingungen salutogen zu gestalten, sodass sich alle am Arbeitsplatz wohlfühlen. Wertschätzung trägt stark zum Wohlbefinden im Betrieb bei und ist folglich Bestandteil eines ganzheitlich ausgerichteten psychosozialen Arbeitsschutzes.
Dies gilt nicht nur für den Umgang der Führungskräfte mit ihren Mitarbeitern, auch das Miteinander der Kollegen untereinander beeinflusst das Betriebsklima und damit das Befinden. Es kann von Kränkungen und Missachtung geprägt sein, sodass es arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren birgt. Es kann aber auch psychosoziale Ressourcen beinhalten, nämlich dann, wenn Kollegen sich gegenseitig stärken und unterstützen.
Wie Abb. 1 zeigt, besteht zwischen Betrieblichem Gesundheitsmanagement und Wertschätzung eine Wechselbeziehung.
Sobald sich Beschäftigte von ihrem Unternehmen und seinen Vertretern persönlich wertgeschätzt fühlen, verstehen sie Maßnahmen des Betrieblichen Gesundheitsmanagements und Maßnahmen zum Arbeits- und Gesundheitsschutz (AuG) als Ausdruck von Wertschätzung. Sie "glauben" die positive Intention; folglich ist die Akzeptanzquote der zugehörigen Maßnahmen hoch. Die Maßnahmen können ihre Wirkung voll entfalten und erreichen viele Beschäftigte.
Abb. 1: Das Verhältnis von Wertschätzung und Betrieblichem Gesundheitsmanagement Arbeits- und Gesundheitsschutz (AuG)
Wertschätzung – ein Erfolgsfaktor für das BGM
Wo sich Beschäftigte hingegen (noch) nicht wertgeschätzt fühlen, fehlt auch (noch) die Akzeptanz der BGM-Maßnahmen. Wenn die Kultur in einem Unternehmen in der Vergangenheit geprägt war von der Betrachtung des Menschen als Kostenfaktor, dann ist Geduld erforderlich.
1.3 Wertschätzung als salutogene Grundhaltung
Wertschätzung lässt sich verstehen als wohlwollende Lenkung der Aufmerksamkeit auf positive Aspekte des Gegenübers – diese Fokussierung kann sich auf den Mitarbeiter beziehen, aber auch auf das Unternehmen als Ganzes oder auf Teilaspekte wie z. B. den Arbeitsschutz oder den Betriebssport.
Im Umgang mit anderen Menschen zeigt sich die positive Herangehensweise z. B. im Übertragen von Verantwortung. Die dahinter stehende Haltung lautet, dass man dem Mitarbeiter diese Aufgaben zutraut.
Ein zweites Beispiel ist die sog. "Rote-Tage-Regelung" mancher Betriebe; sie bedeutet, dass jeder Mitarbeiter pro Jahr 2 Tage daheim bleiben kann, wenn er sich nicht wohl fühlt. Dahinter steht die Haltung "Wir trauen unseren Mitarbeitern zu, dass sie verantwortlich mit dem Thema Krankheit bzw. Abwesenheit umgehen". Auch hier offenbart sich ein positives Menschenbild, das in der Praxis oft entsprechend belohnt wird. Die meisten Menschen wollen etwas zurückgeben, wenn sie merken, dass man ihnen wertschätzend begegnet. (Umgekehrt "bestrafen" Mitarbeiter eine misstrauische Haltung seitens der Geschäftsleitung durch das bewusste Suchen von Schlupflöchern.)
Ein drittes Beispiel aus dem Betriebsalltag: Bei einer wertschätzenden Haltung lenkt eine Führungskraft ihr Augenmerk auch auf die 98 % der Mitarbeiterleistungen, die einwandfrei erledigt werden; sie schaut nicht ausschließlich auf die 2 % fehlerhaften Leistungen.
Wenn Menschen ihren Kolleginnen und Kollegen ablehnend...