Leitsatz
Die Ermittlung des Veräußerungsgewinns nach § 8b Abs. 2 S. 1 und 2 KStG erfolgt stichtagsbezogen auf den Veräußerungszeitpunkt. Eine nachträgliche Wertveränderung der Kaufpreisforderung aus einem Anteilsverkauf wegen Uneinbringlichkeit wirkt deswegen gewinnmindernd auf den Veräußerungszeitpunkt zurück.
Normenkette
§ 8b Abs. 2 S. 1 und 2, Abs. 3 S. 1 KStG, § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO
Sachverhalt
An einer GmbH & Co. KG waren im Streitjahr 2004 eine GmbH als Komplementärin und eine andere GmbH als Kommanditistin beteiligt.
Die KG veräußerte im Jahr 2002 Anteile an ihrer mexikanischen Tochtergesellschaft. Sie erzielte hierbei einen Veräußerungsgewinn von 232 127 EUR. Dieser wurde nach § 8b Abs. 2 i.V.m. Abs. 6 KStG als steuerfrei behandelt. Die Kaufpreisforderung wurde mit 511 292 EUR in voller Höhe aktiviert.
Zu dem Bilanzstichtag 30.09.2004 wurde die zu diesem Zeitpunkt noch verbliebene Kaufpreisforderung aus der Veräußerung der Beteiligung wegen drohenden Ausfalls in voller Höhe wertberichtigt. Die KG erfasste den restlichen Forderungsbetrag von 382 825 EUR in voller Höhe gewinnmindernd. Diese Restforderung fiel in der Folge aus.
Das FA vertrat die Ansicht, die Gewinnminderung sei gem. § 8b Abs. 3 S. 3 i.V.m. Abs. 6 KStG bei der Ermittlung des steuerpflichtigen Einkommens nicht zu berücksichtigen.
Die anschließende Klage blieb ebenso erfolglos (FG Düsseldorf, Urteil vom 02.07.2010, 17 K 4146/09 G,F, Haufe-Index 2379502, EFG 2011, 76) …
Entscheidung
… wie die Revision vor den BFH: Der Kaufpreisausfall verändere die Höhe des Veräußerungsgewinns, der nach § 8b Abs. 2 KStG steuerfrei bleibe. Die Ermittlung dieses Gewinns sei stichtagsbezogen vorzunehmen.
Hinweis
1. Nach § 8b Abs. 2 S. 1 (i.V.m. § 8 Abs. 1 S. 1) KStGbleiben bei der Ermittlung des Einkommens u.a. einer unbeschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaft Gewinne aus der Veräußerung eines Anteils an einer Körperschaft oder Personenvereinigung, deren Leistungen beim Empfänger zu Einnahmen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nrn. 1, 2, 9 und 10 Buchst. a EStG gehören, außer Ansatz.
Was unter Veräußerungsgewinn zu verstehen ist, ergibt sich legaldefiniert aus § 8b Abs. 2 S. 2 KStG. Es ist derjenige Betrag, um den der Veräußerungspreis oder der an dessen Stelle tretende Wert nach Abzug der Veräußerungskosten den Wert übersteigt, der sich nach den Vorschriften über die steuerliche Gewinnermittlung im Zeitpunkt der Veräußerung ergibt (Buchwert). Das entspricht ebenso gängigem Verständnis, wie das, was unter Veräußerungspreis zu verstehen ist, nämlich die Gegenleistung, die der Veräußerer vom Erwerber für die Anteilsübertragung erhält. Das ist regelmäßig der vereinbarte Kaufpreis mit seinem Nennwert.
2. Wie aber wirkt es sich nun aus, wenn der Kaufpreis später gemindert oder auch erhöht wird oder wenn der noch ausstehende Kaufpreis später ausfällt? Ist § 8b Abs. 2 KStGstichtagsbezogen aufzufassen und löst deshalb diese Wertänderung eine (rückwirkende) Verminderung des Veräußerungsgewinns i.S.v. § 8b Abs. 2 S. 2 KStG aus? Oder handelt es sich hierbei um einen (späteren) laufenden (und nicht von § 8b Abs. 3 KStG erfassten) Verlust? Beides wird vertreten: Die Finanzverwaltung und wohl auch die sog. herrschende Meinung im Schrifttum sind der ersteren Auffassung (BMF-Schreiben vom 13.03.2008, BStBl I 2008, 506), und dem hat sich jetzt auch der BFH angeschlossen: Veräußerungspreis i.S.v. § 8b Abs. 2 S. 2 KStG ist jener Betrag, den der Veräußerer im Ergebnis tatsächlich vereinnahmt.
3. Letztlich nimmt der BFH dabei Anleihe bei der einschlägigen Rechtsprechung zu § 16 Abs. 2 (und auch § 17 Abs. 2) EStG. Dazu hat der Große Senat des BFH (durch Beschluss vom 19.07.1993, GrS 2/92, Haufe-Index 64490) entschieden, später eintretende Veränderungen beim ursprünglich vereinbarten Veräußerungspreis seien so lange und so weit materiell-rechtlich auf den Zeitpunkt der Veräußerung zurückzubeziehen, als der Erwerber seine Verpflichtung zur Zahlung des Kaufpreises noch nicht erfüllt habe. Nur auf diese Weise lasse sich eine sachgerechte (Einmal-)Besteuerung sicherstellen. Das rechtfertige es, spätere Wertveränderungen des Kaufpreises spezialgesetzlich auf den Veräußerungsstichtag zurückwirken zu lassen und nur den tatsächlich vereinnahmten Kaufpreis zu erfassen.
4. Nun lässt sich das alles nicht ohne Weiteres mit der Situation des § 8b Abs. 2 KStG vergleichen. Denn hier geht es um laufend veranlagte Steuern innerhalb der steuerlichen Gewinnermittlung durch Bestandsvergleiche und hier können die späteren Wertveränderungen regelmäßig ohne Weiteres in jenem VZ steuerwirksam werden, in welchem sie eintreten; ein "Stichtagszwang" zur Vermeidung von Besteuerungslücken besteht nicht.
Dessen ungeachtet ist es dem Gesetzgeber aber auch hier unbenommen, aus steuerrechtlichen Gründen – und abweichend von der handelsbilanziellen Lage (!) – eine stichtagsbezogene Wertermittlung zu bestimmen. Eine solche Rechtslage ist insbesondere bei Steuertatbeständen gegeben, die an einen einmaligen Vorgang anknüpfen, und das i...