Leitsatz
Sind den nichtpräferenziellen Ursprung begründende wesentliche Be- oder Verarbeitungen von Waren der Pos. 7312 KN nur solche, die zur Folge haben, dass das aus der Be- oder Verarbeitung hervorgegangene Erzeugnis in eine andere Position der KN einzureihen ist?
Normenkette
Art. 234 Abs. 3, Art. 249 EG, Art. 24 ZK
Sachverhalt
Ein Importeur möchte verbindliche Ursprungsauskünfte (vUA) für Stahlseile erhalten. Diese werden in Nordkorea aus Litzen mit Ursprung in China hergestellt. Dort werden die Litzen mit nicht unerheblichem maschinellem Aufwand, der über eine bloße Minimalbehandlung hinausgeht, zu Stahlseilen zusammengedreht. Die Bundesfinanzdirektion sieht gleichwohl China als Ursprungsland der Stahlseile an; denn in Nordkorea finde eine wesentliche Be- oder Verarbeitung der Litzen nicht statt, denn diese seien nicht in eine andere Position der KN in Anhang I (Verordnung [EWG] Nr. 2658/87) einzureihen als die aus ihnen hergestellten Stahlseile. Die sog. Listenregeln der Europäischen Kommission anerkennten eine ursprungsbegründende Be- oder Verarbeitung von Waren der Pos. 7312 KN nur bei einem Wechsel der Tarifposition.
Das FG sah den nichtpräferenziellen Ursprung der Stahlseile in Nordkorea (FG Düsseldorf, Urteil vom 02.05.2007, 4 K 2456/06 Z, Haufe-Index 1763539).
Entscheidung
Da der BFH die in den Praxishinweisen aufgeworfenen Fragen nicht, weil zweifelsfrei, selbst beantworten kann, hat er sie dem EuGH gem. Art. 234 EG vorgelegt.
Hinweis
Welcher Teil eines Herstellungsvorgangs als ursprungsbegründend anzusehen ist, entscheiden in erster Linie technische Kriterien (vgl. EuGH, Urteil vom 08.03.2007, Rs. C-447, 448/05, ZfZ 2007, 100).
Für Spinnstoffe und Waren des Abschn. XI KN sieht Art. 37 ZKDVO allerdings als ursprungsbegründend nur eine Be- oder Verarbeitung an, die den Wechsel in eine andere Position der KN zur Folge hat. Kommt möglicherweise bei anderen Waren eine entsprechende Anwendung dieser Vorschrift in Betracht?
Es gibt ferner sog. Listenregeln der Kommission, denen zufolge bei Waren der Pos. 7312 KN die ursprungsbegründende Be- oder Verarbeitung einen Wechsel der Tarifposition zur Folge haben muss. Diese Listenregeln sind freilich nur über das Internet und allein in englischer Sprache verfügbar. Es handelt sich bei ihnen zweifellos nicht um verbindliches, in den Mitgliedstaaten geltendes Recht wie bei einer VO oder RL. Es sind lediglich Hilfsmittel für eine einheitliche Auslegung des Gemeinschaftsrechts und Ersatz für nationale Anweisungen. Können aber die Listenregeln möglicherweise in ähnlicher Weise, wie es der EuGH für Erläuterungen zur KN annimmt, als ein entscheidendes Erkenntnismittel für die Auslegung des Art. 24 ZKDVO angesehen werden (welche Funktion sie für die Verwaltungen der Mitgliedstaaten tatsächlich ausüben)?
Link zur Entscheidung
BFH, Beschluss vom 06.05.2008, VII R 18/07