Leitsatz

1. Für die Anerkennung einer gewerblichen Betriebsverpachtung reicht es aus, wenn die wesentlichen, dem Betrieb das Gepräge gebenden Betriebsgegenstände verpachtet werden. Welche Betriebsgegenstände in diesem Sinn die wesentlichen Betriebsgrundlagen darstellen, bestimmt sich nach den tatsächlichen Umständen des Einzelfalls unter Berücksichtigung der spezifischen Verhältnisse des betreffenden Betriebs. Dabei ist maßgeblich auf die sachlichen Erfordernisse des Betriebs abzustellen (sog. funktionale Betrachtungsweise).

2. In diesem Zusammenhang bilden bei einem „Autohaus” (Handel mit Neu- und Gebrauchtfahrzeugen eines bestimmten Automobilfabrikanten einschließlich angeschlossenem Werkstattservice) das speziell für dessen Betrieb hergerichtete Betriebsgrundstück samt Gebäuden und Aufbauten sowie die fest mit dem Grund und Boden verbundenen Betriebsvorrichtungen im Regelfall die alleinigen wesentlichen Betriebsgrundlagen. Demgegenüber gehören die beweglichen Anlagegüter, insbesondere die Werkzeuge und Geräte, regelmäßig auch dann nicht zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen, wenn diese im Hinblick auf die Größe des „Autohauses” ein nicht unbeträchtliches Ausmaß einnehmen.

 

Normenkette

§ 16 Abs. 3 EStG

 

Sachverhalt

Der Kläger war Eigentümer des Grundstücks R-Straße in W. Dieses Grundstück war für Zwecke einer X-Automobilvertragshandlung mit zugehöriger Werkstatt bebaut und hergerichtet. Der Kläger verpachtete das Grundstück bis 31.12.1994 im Weg der Betriebsaufspaltung an die B-GmbH, deren alleiniger Anteilseigner er war. Die ­B­-­GmbH betrieb auf dem Grundstück ein X-Autohaus.

Mit „Betriebsübernahme- und Kaufvertrag” vom 07.11.1994 veräußerte die B-GmbH mit Wirkung vom 31.12.1994, 24 Uhr, die Warenvorräte und das ihr gehörende bewegliche Anlagevermögen zum Gesamtpreis von rd. 2,3 Mio. DM an die Z-GmbH, an der der Kläger zunächst lediglich mit einem Zwerganteil beteiligt war und aus der er unmittelbar nach der Betriebsübernahme ausschied.

Mit Vertrag ebenfalls vom 07.11.1994 vermietete der Kläger als Vertreter der in Gründung befindlichen B-GmbH & Co. KG das Grundstück R-Straße samt Aufbauten und Betriebsvorrichtungen langfristig an die Z-GmbH.

Das FA meinte, dass die Veräußerung des beweglichen Anlagevermögens und des Umlaufvermögens durch die B-GmbH an die Z-GmbH zu ­einem Wegfall der Betriebsaufspaltung mit der Folge einer Betriebsaufgabe des Besitzunternehmens geführt habe. Es ermittelte einen Aufgabegewinn i.H.v. rd. 3,4 Mio. DM.

Das FG wies die dagegen gerichtete Klage als unbegründet ab (EFG 2005, 440). Die Revision des Klägers hatte Erfolg.

 

Entscheidung

Zutreffend sei das FG davon ausgegangen, dass die Betriebsaufspaltung zwischen dem Kläger und der B-GmbH mit dem Wirksamwerden der Betriebsveräußerung durch die B-GmbH an die Z-GmbH zum 31.12.1994, 24.00 Uhr, entfallen sei. Zwar führe der Wegfall der Voraussetzungen der Betriebsaufspaltung grundsätzlich zu einer Betriebsaufgabe beim Besitzunternehmen.

Eine Ausnahme hiervon sei jedoch nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung des BFH aufgrund einer zweckgerecht einschränkenden Auslegung des § 16 Abs. 3 EStG u.a. dann geboten, wenn im Zeitpunkt der Beendigung der Betriebsaufspaltung die Voraussetzungen einer Betriebsverpachtung im Ganzen vorgelegen hätten.

Letzteres sei hier der Fall gewesen. Denn der Kläger bzw. die von ihm vertretene B-GmbH & Co. KG in Gründung habe der Z-GmbH sämtliche, dem Betrieb des Autohauses das Gepräge gebenden und mithin wesentlichen Betriebsgegenstände verpachtet (wird näher begründet).

 

Hinweis

1. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH führt der Wegfall der (personellen und/oder sachlichen) Voraussetzungen der Betriebsaufspaltung grundsätzlich zu einer Betriebsaufgabe beim Besitzunternehmen (vgl. z.B. BFH, Urteil vom 25.08.1993, XI R 6/93, BStBl II 1994, 23; BFH, Urteil vom 17.04.2002, X R 8/00, BFH-PR 2002, 330). Eine Ausnahme hiervon und von der dadurch ausgelösten Zwangsprivatisierung des bisherigen Betriebsvermögens beim Besitzunternehmen ist jedoch nach gefestigter Rechtsprechung des BFH und der h.M. in der Literatur (vgl. z.B. Schmidt/Wacker, EStG, 26. Aufl., § 16 Rz. 715, m.w.N.) u.a. dann geboten, wenn im Zeitpunkt der Beendigung der Betriebsaufspaltung die Voraussetzungen einer Betriebsverpachtung im Ganzen vorgelegen haben.

2. Letzteres hat der BFH im vorliegenden Fall m.E. in konsequenter Fortführung der neueren Rechtsprechung des BFH mit Recht angenommen, weil der Kläger mit dem für den Betrieb des Autohauses besonders hergerichteten Grundstück samt Aufbauten und Betriebsvorrichtungen sämtliche (funktional) wesentlichen, dem Betrieb des Autohauses das Gepräge gebenden Vermögensgegenstände an die Z-GmbH verpachtete.

3. Wegen der Einzelheiten zum Begriff der ­wesentlichen Betriebsgrundlagen i.S.d. Betriebsverpachtung im Ganzen wird auf die in den Gründen des Besprechungsurteils dargelegten Grundsätze und zahlreichen Rechtsprechungsnachweise verwiesen.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 11.10.2007, X R 39/04

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