Leitsatz
Über die Wiederbestellung eines Steuerberaters ist auch dann eine Rechts‐ und keine Ermessensentscheidung zu treffen, wenn der Steuerberater auf seine Bestellung nach Einleitung eines berufsgerichtlichen Verfahrens verzichtet hatte.
Normenkette
§ 40, § 45 Abs. 1 Nr. 2, § 48 StBerG, § 5 AO, § 100 Abs. 3 FGO
Sachverhalt
Ein ehemaliger Steuerberater möchte wieder als Steuerberater zugelassen werden. Auf seine frühere Bestellung hatte er 2000 verzichtet, sodass diese erloschen war. Ein zu dieser Zeit gegen ihn anhängiges berufsrechtliches Verfahren, in dem das Hauptverfahren eröffnet worden und ihm zur Last gelegt worden war, gegen seine Pflicht zur gewissenhaften Berufsausübung verstoßen zu haben, hatte das Landgericht aufgrund des Erlöschens der Bestellung eingestellt. Der Antrag auf Wiederbestellung wurde 2004 gestellt, von der Steuerberaterkammer jedoch abgelehnt, weil eine Wiederbestellung nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 StBerG vor Ablauf von acht Jahren nach dem Verzicht nicht möglich sei; denn in dem damaligen berufsrechtlichen Verfahren sei die Ausschließung aus dem Beruf zu erwarten gewesen. Die daraufhin erhobene Klage hat das Hessische FG (Urteil vom 1.12.2009, 13 K 820/05) abgewiesen, obwohl inzwischen die 8-Jahres-Frist abgelaufen war. Es war der Meinung, es handele sich um eine Ermessensentscheidung der Steuerberaterkammer und selbst bei einer Ermessensreduzierung auf null komme es deshalb auf die Sachlage im Zeitpunkt des Erlasses der letzten Verwaltungsentscheidung an.
Entscheidung
Diese Betrachtungsweise teilt der BFH nicht. Es handelt sich um eine gebundene Entscheidung. Die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts ist maßgeblich. Der BFH hat jedoch zurückverwiesen, weil die sonstigen Zulassungsvoraussetzungen noch geklärt werden müssen.
Hinweis
Dass eine Behörde etwas "kann", bedeutet in der Gesetzessprache meist, dass sie es nicht muss, sondern Ermessen hat, es zu tun oder zu lassen (vorbehaltlich des § 5 AO). Mitunter will das Gesetz mit dem Wort "kann" aber auch eine Befugnis der Behörde zum Ausdruck bringen, ohne damit etwas darüber zu sagen, ob von dieser nach reinen Rechtsmaßstäben oder nach dem Ermessen der Behörde Gebrauch zu machen ist.
Die Befugnis zur Wiederbestellung eines ehemaligen Steuerberaters will der Gesetzgeber sicher ebenso wenig in das Ermessen der Steuerberaterkammer stellen wie er die (erstmalige) Zulassungsentscheidung nicht in das Ermessen der Behörde gestellt hat. Er könnte das auch schwerlich tun, weil dem Art. 12 Abs. 1 GG entgegenstünde. Und welche "Ermessenserwägungen" (Zweckmäßigkeitserwägungen) könnte die Kammer überhaupt anstellen?
Geht es also um eine gebundene Entscheidung und folglich um eine Verpflichtungsklage, ist nicht die Sachlage im Zeitpunkt der (letzten) Behördenentscheidung, sondern die im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung maßgeblich. Welchen Sinn würde es auch machen, den Zulassungsbewerber bei Vorliegen der Zulassungsvoraussetzungen auf einen neuen Antrag bei der Behörde zu verweisen? Freilich könnte sich das Gericht damit unter Umständen die Prüfung bislang ungeprüfter Zulassungsvoraussetzungen ersparen. Aber eine solche Zurückhaltung gestattet die FGO dem Gericht nicht. Ebenso wenig darf sich das Gericht ungeprüft die Behördenansicht zu eigen zu machen.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 9.8.2011, VII R 46/10