Prof. Dr. Franceska Werth
Leitsatz
1. Sind Einkünfte aus der Ausschüttung einer Kapitalgesellschaft, deren Beteiligung der Steuerpflichtige im Privatvermögen hält, aufgrund eines Antrags auf Günstigerprüfung gemäß § 32d Abs. 6 EStG den tariflich zu besteuernden Einkünften hinzuzurechnen, findet die anteilige (40 %‐ige) Steuerbefreiung gemäß § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. d EStG keine Anwendung.
2. Sowohl die Unkenntnis des Antragsrechts gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG als auch die Unkenntnis, einen solchen Antrag neben einem Antrag auf Günstigerprüfung stellen zu können bzw. zu müssen, können bei einem nicht fachkundig beratenen Steuerpflichtigen unverschuldet sein und zur Wiedereinsetzung in die Antragsfrist gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 4 EStG berechtigen. Dies kann selbst dann gelten, wenn die in Bezug auf die Antragsrechte unzureichende Anleitung zur Anlage KAP bei Anfertigung der Steuererklärung nicht vollständig gelesen wurde.
Normenkette
§ 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. d, § 3 Nr. 40 Satz 2, § 32d Abs. 2 Nr. 3, § 32d Abs. 6 EStG, § 110 AO
Sachverhalt
Der Kläger bezog aus einer 40 %‐igen Beteiligung an einer GmbH eine Gewinnausschüttung i.H.v. 18.000 EUR. Die GmbH nahm hierfür den Kapitalertragsteuerabzug vor und erteilte eine Steuerbescheinigung. Der Kläger erstellte die Einkommensteuererklärung ohne Inanspruchnahme eines steuerlichen Beraters. Ihm stand beim Ausfüllen der Anlage KAP die amtliche Anleitung mit dem Stand August 2010 zur Verfügung. Die Einnahmen aus der Gewinnausschüttung trug er in Zeile 7 der Anlage KAP in der Rubrik "Kapitalerträge, die dem inländischen Steuerabzug unterlegen haben" ein und beantragte die Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 EStG. In den Zeilen 22 bis 25 der Anlage KAP zum Antrag gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG machte er keine Angaben.
Die Günstigerprüfung des FA führte zu dem Ergebnis, dass die Besteuerung der Kapitalerträge der Kläger im Rahmen der tariflich zu besteuernden Einkünfte vorteilhafter war. Die Kapitalerträge des Klägers wurden dem entsprechend unter Abzug des Sparer-Pauschbetrags von 801 EUR ohne Anwendung der anteiligen Steuerbefreiung gemäß § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. d EStG als tariflich zu besteuernde Einkünfte der Besteuerung zugrunde gelegt. Mit dem hiergegen erhobenen Einspruch beantragte der Kläger die Wiedereinsetzung in die Antragsfrist des § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 4 EStG. Er sei davon ausgegangen, mit dem Antrag auf Günstigerprüfung gemäß § 32d Abs. 6 EStG alle notwendigen Anträge für die günstigste Besteuerung gestellt zu haben. Einspruch und Klage (Hessisches FG, Urteil vom 27.8.2014, 4 K 1617/13, Haufe-Index 7417410) hatten keinen Erfolg.
Entscheidung
Der BFH hat der Revision und der Klage des Klägers stattgegeben.
Hinweis
1. Einkünfte i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG sind nur dann gemäß § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. d EStG zu 40 % steuerbefreit, wenn § 20 Abs. 8 EStG Anwendung findet oder ein Antrag nach § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG gestellt wird. Letzteres setzt voraus, dass der Anteilseigner zumindest zu 25 % an der Kapitalgesellschaft beteiligt ist (a) oder zu mindestens 1 % an der Kapitalgesellschaft beteiligt ist und durch eine berufliche Tätigkeit maßgeblichen unternehmerischen Einfluss nehmen kann (b). Im vorliegenden Fall waren die Voraussetzungen der ersten Alternative (a) erfüllt.
2. Jedoch hatte der Kläger lediglich einen Antrag auf Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 EStG gestellt. Dieser reicht für die Gewährung der Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. d EStG nicht aus, da er lediglich dazu führt, dass die Kapitaleinkünfte i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG tariflich besteuert werden. Da es sich jedoch weiterhin um Beteiligungseinkünfte im Privatvermögen handelt, kann die anteilige Steuerbefreiung des § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. d EStG gemäß § 3 Nr. 40 Satz 2 EStG nicht in Anspruch genommen werden. Erst ein Antrag gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG eröffnet die anteilige Steuerfreistellung.
3. Der Kläger hatte es jedoch versäumt, rechtzeitig einen Antrag nach § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG zu stellen. Dieser muss nach Satz 4 der Vorschrift spätestens zusammen mit der Einkommensteuererklärung gestellt werden. Insoweit ist die Antragstellung befristet. Eine konkludente Antragstellung sieht der BFH bei nicht fachkundig vertretenen Steuerpflichtigen zwar für möglich an. Er hat eine solche aber im vorliegenden Fall verneint. Entscheidend hierfür war, dass in der Steuererklärung des Klägers nicht alle Angaben enthalten waren, die für den Antrag nach § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG erforderlich waren.
4. Nach Auffassung des BFH war dem Kläger jedoch gemäß § 110 AOWiedereinsetzung in die Ausschlussfrist des § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 4 EStG zu gewähren. Auch bei vollständiger Lektüre der Anlage KAP hätte er nicht davon ausgehen müssen, dass für die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. d EStG neben dem Antrag auf Günstigerprüfung auch ein Antrag nach § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG erforderlich ist. Es konnte ihm deshalb kein Verschuldensvorwurf gemacht werden.
Wiedereinsetzungsmöglichkeit besteht nur für den Steuerl...