Leitsatz
1. Der Zurechnung der wirtschaftlichen Einheit nach § 138 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 BewG kommt keine Bindungswirkung für den (Erbschaftsteuer-)Folgebescheid zu.
2. Die Rechtswirkung der gem. § 138 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 BewG in dem Feststellungsbescheid über den Grundbesitzwert zu treffenden Feststellungen über die Zurechnung der wirtschaftlichen Einheit beschränkt sich auf die Bestimmung des Inhaltsadressaten des Feststellungsbescheids.
Normenkette
§ 12 Abs. 3 ErbStG, § 138 Abs. 5 Satz 1 und Satz 2 Nr. 2 BewG, § 182 Abs. 1 Satz 1 AO
Sachverhalt
Die Klägerin erwarb 1998 schenkweise eine Eigentumswohnung. Der Schenker verpflichtete sich, die Kosten weiter zu tragen; die Klägerin übernahm die dingliche Haftung für die eingetragenen Grundschulden.
Das Lage-FA stellte auf Anforderung des Schenkungsteuer-FA den Grundstückswert fest und rechnete dabei die Eigentumswohnung der Klägerin zu. Sodann erließ das Schenkungsteuer-FA den Steuerbescheid.
Die Klägerin focht beide Bescheide an. Im Verfahren gegen den Feststellungsbescheid machte sie geltend, der Bescheid hätte nicht ergehen dürfen, da ihr die Eigentumswohnung gem. § 19 Abs. 3 Nr. 2 BewG i.V.m. § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO nicht zuzurechnen sei.
Entscheidung
Der BFH hielt den Feststellungsbescheid für rechtmäßig. Das Lage-FA habe die Feststellung des Grundstückswerts als erforderlich ansehen und den Wert der Klägerin zurechnen dürfen.
Hinweis
1. Nach § 138 Abs. 5 Satz 1 BewG sind die Grundbesitzwerte gesondert festzustellen, wenn sie für die ErbSt oder die GrESt erforderlich sind. Das Tatbestandsmerkmal der Erforderlichkeit hat einen materiellen und einen formellen Aspekt. Materiell-rechtlich geht es darum, unter welchen Voraussetzungen die Feststellung erforderlich ist. Formell geht es darum, wer über die Erforderlichkeit zu bestimmen hat.
Hinsichtlich der materiellen Voraussetzungen hat der BFH es mit dem Beschluss vom 2.12.2003, II B 76/03 (BFH-PR 2004, 151), für nahe liegend gehalten, dass die Grundstückswerte immer dann gesondert festzustellen sind, wenn im Rahmen einer Veranlagung zur ErbSt oder GrESt ein Grundstück zu bewerten ist. Dabei ist unerheblich, ob der Wert unmittelbar oder mittelbar – etwa über die Beteiligung an einer gewerblich tätigen Personengesellschaft – in die Bemessungsgrundlage einer der genannten Steuern eingeht.
Hinsichtlich der formellen Frage, wer über die Erforderlichkeit zu bestimmen hat, führt der BFH im vorliegenden Urteil aus, dies sei nicht das Lage-FA, sondern das Festsetzungs-FA. Letzteres entscheide darüber nicht durch selbstständig anfechtbaren Verwaltungsakt, sondern durch verwaltungsinterne Anforderung beim Lage-FA. Dieses habe dann regelmäßig ohne weitere Prüfung davon auszugehen, dass der Grundstückswert erforderlich ist. Infolgedessen können materiell-rechtliche Einwände gegen die Steuerbarkeit eines Erwerbs nur gegen den Festsetzungsbescheid geltend gemacht werden.
2. Dem steht die in § 138 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 BewG vorgesehene Feststellung über die Zurechnung des Grundstückswerts nicht entgegen. Mit dieser Zurechnung wird nämlich nicht über die materiell-rechtliche Frage, wem das Grundstück zuzuordnen ist, mit Bindungswirkung für das Steuerfestsetzungsverfahren entschieden. Vielmehr beschränkt sich die Zurechnung auf die Bestimmung des Inhaltsadressaten für den Feststellungsbescheid. Materiell-rechtlich wird über die Zurechnung erst im Festsetzungsverfahren entschieden.
Die §§ 12 Abs. 3 ErbStG und 8 Abs. 2 GrEStG sehen nämlich eine gesonderte Feststellung nur für den Wert der Grundstücke vor. Im Übrigen bleibt es bei dem Grundsatz, dass die Besteuerungsgrundlagen unselbstständiger Teil des Steuerbescheids sind.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 29.11.2006, II R 42/05