Leitsatz
Wirtschaftliches Eigentum nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO des Leasingnehmers an dem Leasinggegenstand kommt nicht in Betracht, wenn die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer des Leasinggegenstandes länger als die Grundmietzeit ist und dem Leasinggeber ein Andienungsrecht eingeräumt ist.
Normenkette
§ 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO
Sachverhalt
Eine KG hatte im Rahmen von Sale-and-lease-back-Gestaltungen von zwei GmbHs (Leasingnehmer) Wirtschaftsgüter erworben und an diese zurückverleast. Zur Finanzierung der Kaufpreise hatte die KG von den Leasingnehmern Darlehen erhalten. Die Leasingverträge waren über einen Zeitraum von 48 Monaten fest abgeschlossen und enthielten bei Ablauf ein Andienungsrecht des Leasinggebers gegenüber dem Leasingnehmer. Bei den Wirtschaftsgütern handelte es sich in einem Fall um elektronische Systeme zur Ausstrahlung von Informations- und Werbeprogrammen, deren Nutzungsdauer zwischen drei und fünf Jahren liegen konnte. Im anderen Fall handelte es sich um Dosierautomaten für die Aquaristik, die in Zoofachhandlungen als Verkaufsautomaten aufgestellt waren. In ihren Bilanzen aktivierte die KG die Leasinggüter und nahm AfA vor.
Das FA war der Ansicht, die Leasinggüter seien den Leasingnehmern zuzurechnen und berücksichtigte die AfA nicht. Die dagegen erhobene Klage hatte nur teilweise Erfolg. Das FG beurteilte die Vertragsverhältnisse als verzinsliche Darlehen der KG an die Leasingnehmer und zog die weiteren Folgen daraus (Niedersächsisches FG, Urteil vom 3.7.2013, 4 K 188/11, Haufe-Index 5337216, EFG 2013, 1726).
Entscheidung
Der BFH hob das Urteil des FG auf und verwies das Verfahren zurück. Das wirtschaftliche Eigentum an den Informationssystemen sei nicht wegen des Andienungsrechts der KG den Leasingnehmern zuzurechnen. Diese Zurechnung sei nur dann zutreffend, wenn die Informationssysteme bei Ablauf der Leasingdauer keinen wirtschaftlichen Wert mehr gehabt hätten. Dies hänge von der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer ab, zu der noch Feststellungen getroffen werden müssten. In Bezug auf die Dosierautomaten sei der Leasingnehmer aber zu Recht als wirtschaftlicher Eigentümer angesehen worden. Das FG habe zu dem Ergebnis kommen können, dass die Automaten nur für den Leasingnehmer verwendbar gewesen seien und deshalb bei Leasingende ungeachtet der Nutzungsdauer von der KG nicht anderweitig hätten verwertet werden können.
Hinweis
1. Das Urteil liegt auf der Linie der bisherigen Rechtsprechung des BFH zur Zuordnung des wirtschaftlichen Eigentums bei Leasing, fügt dieser aber eine weitere Facette hinzu. Ein Andienungsrecht des Leasinggebers bei Leasingende kann nicht zur Folge haben, dass das Leasinggut dem Leasingnehmer zuzurechnen ist.
2. Wem ein Wirtschaftsgut steuerrechtlich zuzurechnen ist, ergibt sich aus § 39 AO. Dies ist grundsätzlich der zivilrechtliche Eigentümer (§ 39 Abs. 1 AO), ausnahmsweise aber eine andere Person, wenn diese wirtschaftlicher Eigentümer ist (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO). Wirtschaftliches Eigentum in diesem Sinn setzt nach ständiger Rechtsprechung des BFH voraus, dass die betreffende natürliche oder juristische Person den zivilrechtlichen Eigentümer für die gesamte Nutzungsdauer sowohl von den laufenden Nutzungen als auch von der Verwertung der Substanz des Wirtschaftsguts ausschließen kann. Fehlt es an einer solchen Position, bleibt das Wirtschaftsgut dem zivilrechtlichen Eigentümer zuzurechnen.
Keine Maßgeblichkeit bei abweichender Zurechnung
Soweit für die handelsbilanzielle Zurechnung nach § 246 Abs. 2 Satz 2 HGB andere Regeln gelten sollten (etwa infolge von aus den IFRS übernommenen Wertungen), könnten diese keine Maßgeblichkeit beanspruchen, denn § 39 AO wäre dann als steuerrechtliches Spezialgesetz vorrangig.
3. Im Fall von Leasingverhältnissen kann der Leasingnehmer deshalb nur dann wirtschaftlicher Eigentümer sein, wenn er den Leasinggeber wirtschaftlich von Nutzungen und Substanz des Leasingguts vollständig ausschließen kann. Davon kann nicht ausgegangen werden, wenn das Leasinggut bei Ende der Leasingdauer noch einen erheblichen Wert hat und der Leasinggeber sich diesen Wert zunutze machen kann. Dies ist ihm grundsätzlich nicht möglich, wenn der Leasingnehmer eine Kaufoption hat. Hat aber umgekehrt – wie im Fall des vorliegenden Urteils – der Leasinggeber eine Verkaufsoption (Andienungsrecht), kann der Leasingnehmer ihn nicht an der Verwertung der Substanz hindern. Ob die Ausübung der Option wahrscheinlich ist, spielt deshalb nur für die Kaufoption des Leasingnehmers eine Rolle, weil nur im Fall wahrscheinlicher Ausübung von einer wirtschaftlichen Verdrängung des Eigentümers und Leasinggebers durch den Leasingnehmer auszugehen ist. Ob die Ausübung einer Verkaufsoption des Leasinggebers wahrscheinlich ist, kann demgegenüber keine Bedeutung für die Zurechnung abweichenden wirtschaftlichen Eigentums haben.
Sonderfall Spezialleasing: Ist die Nutzungsdauer des Wirtschaftsguts bei Leasingende zwar noch nicht abgelaufen, könnte der Leasinggeber das Wirtschaftsgut abe...