Leitsatz
Die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BStBl 2015 II S. 655; BStBl 2016 II S. 1022), die die Beibehaltung des Wohnsitzes von Kindern bei den Eltern im Inland annimmt, wenn sich diese zum Zwecke des Studiums für mehrere Jahre ins Ausland begeben, und mehr als 50 % ihrer ausbildungsfreien Zeit im Inland verbringen, ist auf minderjährige Schulkinder, die bereits zu Beginn ihrer Schulpflicht bis zum Erreichen des Abiturs in das Heimatland der Eltern gehen und dort bei den Großeltern aufwachsen, nicht anwendbar.
Sachverhalt
Die drei minderjährigen Kinder des Klägers, lebten ab Beginn ihrer Schulpflicht bis zum Erreichen des Abiturs bei ihren Großeltern im Heimatland der Eltern. Trotz des Nachweises des Aufenthaltes der Kinder in den ausbildungsfreien Zeiten im Inland hat die Familienkasse die Gewährung von Kindergeld abgelehnt, da die Kinder keinen Wohnsitz im Inland bzw. in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union hätten. Mit seiner Klage trägt der Kläger vor, dass die Kinder sich zu schulischen Zwecken in der Türkei aufhalten würden, sich jedoch in der schulfreien Zeit, insbesondere in den Sommer- und Herbstferien für ca. 5 Monate in Deutschland aufhalten würden. Aus diesem Grunde sei weiterhin von einem Wohnsitz der Kinder im Inland auszugehen.
Entscheidung
Das Finanzgericht ging bei der vorliegenden Fallkonstellation von einer Lösung der familiären Bindungen der Kinder ab dem Beginn des Schulbesuchs in der Türkei aus, weil für sämtliche Kinder unstreitig ein auf Dauer angelegter und nicht nur vorübergehender Auslandsaufenthalt geplant gewesen sei. Zwar stehe eine vorübergehende räumliche Trennung vom Wohnort einer Beibehaltung eines Wohnsitzes grundsätzlich nicht entgegen. Allerdings handele es sich im Streitfall nicht um einen nur vorübergehenden Auslandsaufenthalt. Vielmehr lebten die Kinder bereits seit vielen Jahren bei ihren Großeltern in der Türkei. Es sei deshalb davon auszugehen, dass die Großeltern in der Türkei bei der täglichen Fürsorge und Betreuung der Kinder vollständig an die Stelle der Eltern getreten seien. Die jährlichen Aufenthalte der Kinder von ca. 3,5 Monaten während der Schulferien ändern nach Auffassung des Finanzgerichts an diesem Ergebnis nichts. Diese Aufenthaltszeiten der Kinder in Deutschland seien unter Berücksichtigung des Alters der Kinder und des tatsächlichen bzw. geplanten langjährigen Aufenthalt im Ausland bei den Großeltern nicht geeignet, um einen Wohnsitz in Deutschland zu begründen bzw. beizubehalten
Hinweis
Da das Finanzgericht die Revision nicht zugelassen, und der Kläger auch keine NZB eingelegt hat, ist das Urteil rechtskräftig geworden. Die Entscheidung entspricht auch den Anweisungen in A 23.1 Abs. 2 Satz 1 der DA-KG wonach die Frage, ob ein Kind einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, von den Gesamtumständen des Einzelfalls abhängt
Link zur Entscheidung
Hessisches FG, Urteil vom 16.08.2017, 2 K 775/16