Leitsatz
1. Bei der Ermittlung der Einkünfte und Bezüge werden Zu- und Abflüsse grundsätzlich nur berücksichtigt, wenn sie in dem zu beurteilenden Kalenderjahr anfallen. Dies gilt auch für später teilweise zurückgeforderte BAföG-Zuschüsse und bei Überschussrechnung für Umsatzsteuerzahlungen auf Umsätze des Beurteilungsjahrs.
2. Zu- und Abflüsse des Beurteilungsjahrs können um solche Beträge bereinigt werden, die auf Monate entfallen, für die kein Kindergeld zusteht (Kürzungsmonate).
Normenkette
§ 32 Abs. 4 EStG
Sachverhalt
Der Kläger bezog für seinen 1971 geborenen Sohn (S) ab Februar 1996 Kindergeld, da S ab diesem Monat eine Fachschule für Bautechnik besuchte. S bezog als gelernter Bauzeichner im Streitjahr 1996 Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit und aus Gewerbebetrieb für die Fertigung von Bauzeichnungen.
Mit Bescheid vom 31.3.1998 hob die Familienkasse die Festsetzung des Kindergelds für die Monate Februar bis Dezember 1996 auf, nachdem sie von folgenden Einkünften und Bezügen des S Kenntnis erlangt hatte.
Im Februar 1996 wurde S ab diesem Monat ein BAföG-Zuschuss in Höhe von 391 DM unter Rückforderungsvorbehalt bewilligt und gezahlt. Im März 1997 wurde der BAföG-Zuschuss für Februar bis September 1996 endgültig abgelehnt; zugleich wurde ab Oktober 1996 wiederum ein monatlicher Zuschuss in Höhe von 556 DM bewilligt und überzahlte Leistungen zurückgefordert.
Ausweislich eines im November 1997 ergangenen ESt-Bescheids für 1996 hatte S Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit in Höhe von 2 095 DM und Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 12 986 DM.
In verschiedenen Rechnungen der Monate ab Februar 1996 ist USt ausgewiesen; im März 1998 erging ein USt-Bescheid mit einer Zahllast von 1 170 DM.
Das FG wies die Klage ab. Der anteilige Jahresgrenzbetrag in Höhe von 11 000 DM sei überschritten.
Entscheidung
Die Revision des Klägers führte zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung.
1. Zutreffend habe das FG entschieden, dass der Januar 1996 wegen der Vollzeiterwerbstätigkeit des S kein Begünstigungsmonat sei (vgl. BFH, Urteil vom 19.10.2001, VI R 39/00, BFH-PR 2002, 91). Es sei deshalb von einem anteiligen Jahresgrenzbetrag von 11 000 DM auszugehen.
2. Die Ermittlung der Einkünfte und Bezüge des S durch das FG sei ebenfalls zutreffend erfolgt.
Bei der Ermittlung des Grenzbetrags hätten Zu- und Abflüsse von Einnahmen anderer Jahre als des zu beurteilenden Jahres außer Betracht zu bleiben. Daher sei in Übereinstimmung mit den für die Überschussrechnung des § 4 Abs. 3 EStG geltenden Regeln vereinnahmte gesondert ausgewiesene USt bei den Betriebseinnahmen zu erfassen, nicht jedoch eine erst in einem späteren Jahr beglichene USt-Schuld.
Entsprechendes gelte für die Rückzahlung von BAföG-Leistungen, die zwar unter Vorbehalt, aber nicht darlehensweise, sondern als Zuschuss gewährt worden seien.
Einkünfte und Bezüge, die auf Kürzungsmonate (hier: Januar 1996) entfallen, blieben nach § 32 Abs. 4 Satz 5 EStG 1996 (jetzt Satz 6) außer Ansatz. Auf welche Monate Einkünfte und Bezüge "entfallen", sei innerhalb des Kalenderjahrs nicht nach dem Zuflusszeitpunkt, sondern nach der wirtschaftlichen Zurechnung zu bestimmen. Das FG habe in für den BFH bindender Weise festgestellt, dass die von S im Januar erzielten Einkünfte nicht für Leistungen in den Begünstigungsmonaten ab Februar 1996 erwirtschaftet worden seien; dementsprechend entfielen sie auch nicht auf diese.
3. Das FG habe aber noch Feststellungen darüber zu treffen, ob die ermittelte Summe aus Einkünften und Bezügen gem. § 32 Abs. 4 Satz 3 EStG um ausbildungsbedingte Mehraufwendungen zu kürzen sei (vgl. u.a. BFH, Urteile vom 14.11.2001, VI R 62/97, VI R 52/98, VI R 128/00, BFH-PR 2001, 90 ff.).
Hinweis
Die Besprechungsentscheidung präzisiert (für das Kindergeld), wie Einkünfte und Bezüge des Kindes für den betreffenden Beurteilungszeitraum (in der Regel: das Kalenderjahr) zu ermitteln sind. Diese steuerrechtliche Ermittlung fällt den Familienkassen offenbar noch immer schwer.
Eine der Kernaussagen des Urteils besteht darin, dass (da in den Grenzbetrag des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG nur Einkünfte und Bezüge eingehen, die das Kind im Kalenderjahr hat) Zu- und Abflüsse anderer Jahre außer Betracht bleiben. Innerhalb eines Kalenderjahrs kann dagegen eine sog. Entfallensprüfung in Betracht kommen.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 11.12.2001, VI R 5/00