Prof. Dr. Gerrit Frotscher
2.1 Zinsrichtlinie
Die Zinsrichtlinie soll die effektive Besteuerung von Zinserträgen von natürlichen Personen sicherstellen, die in einem anderen EU-Staat als dem EU-Quellenstaat ansässig sind (vgl. "Ansässigkeit"). Dabei stellt die Richtlinie auf den wirtschaftlichen Eigentümer, nicht auf den Zahlungsempfänger, ab.
Die Richtlinie erlegt der Zahlstelle der Zinsen bestimmte Pflichten auf. Zahlstelle ist nach Art. 4 der Richtlinie jeder Wirtschaftsbeteiligte, der dem wirtschaftlichen Eigentümer Zinsen zahlt oder Zinszahlungen zu dessen Gunsten einzieht.
Die Zahlstelle der Zinsen muss die Identität des wirtschaftlichen Eigentümers anhand seiner Ausweispapiere ermitteln; anonyme Konten sind daher verboten. Ist der wirtschaftliche Eigentümer in einem anderen Mitgliedsstaat ansässig als die Zahlstelle, muss diese der Finanzbehörde des Ansässigkeitsstaats des Eigentümers die in Art. 8 der Richtlinie aufgeführten Daten automatisch übermitteln. Statt der Auskunftserteilung können Belgien, Luxemburg und Österreich für einen Übergangszeitraum eine Quellensteuer auf die Zinsen von 35 % erheben. Davon fließen 75 % an den Ansässigkeitsstaat des Eigentümers der Zinseinkünfte, 25 % behält der Quellenstaat. Der Eigentümer kann diese Steuer in seinem Ansässigkeitsstaat anrechnen lassen. Luxemburg wird sich ab 2015 am Datenaustausch beteiligen.
§ 45e EStG ermächtigt die Bundesregierung zur Umsetzung der Zinsrichtlinie in Deutschland durch eine Rechtsverordnung. Dies ist durch die Zinsinformationsverordnung geschehen. Hierzu ist ein umfangreiches BMF-Schreiben ergangen. Meldeverpflichtungen bestehen für Wirtschaftsbeteiligte, die in Ausübung ihres Gewerbes, und nicht nur anlässlich der Gewerbeausübung, Zinsen zahlen oder einziehen. Betroffen von dieser Verpflichtung sind i. d. R. nur Banken und Kreditinstitute. Die Zahlung von Zinsen durch ein Unternehmen aus einem aus betrieblichen Gründen aufgenommenen Darlehen erfolgt nur anlässlich der Ausübung des Gewerbes, nicht "in" Ausübung, und unterliegt daher nicht der Meldepflicht. Meldepflicht kann aber darüber hinaus in Sonderfällen bestehen, z. B. für einen Rechtsanwalt für ein Anderkonto.
2.2 Zinsabkommen der EU mit der Schweiz
In dem Zinsabkommen der EU mit der Schweiz verpflichtet sich diese, bei in der Schweiz niedergelassenen Zahlstellen eine Quellensteuer von 35 % auf Zinszahlungen an einen in der EU ansässigen Nutzungsberechtigten zu erheben. Die Einnahmen werden zu 75 % an den Ansässigkeitsstaat weitergeleitet, zu 25 % verbleiben sie der Schweiz. Der Quellensteuerabzug unterbleibt, wenn der Nutzungsberechtigte die Zahlstelle in der Schweiz ermächtigt, Auskunft an die Finanzbehörde des Ansässigkeitsstaats zu erteilen. Die Zahlstelle meldet dann die Zinszahlung automatisch an diese Finanzbehörde. Darüber hinaus erteilt die Schweiz Auskünfte an den Ansässigkeitsstaat bei Steuerbetrug; dieser Begriff ist in der Schweiz aber sehr viel enger als z. B. der inländische Begriff der Steuerhinterziehung, sodass der Auskunftsverkehr unter dieser Regelung, im Gegensatz zum Auskunftsverkehr nach dem DBA mit Deutschland, unbedeutend ist.
2.3 Zinsabkommen der Bundesrepublik mit der Schweiz
Das Zinsabkommen Bundesrepublik-Schweiz sah eine Nachversteuerung von Vermögenswerten bei Schweizer Zahlstellen und eine Erhebung von Quellensteuer vor. Die Nachversteuerung erfolgte aufgrund einer Formel mit 21 % bis 41 %. Durch diese Einmalzahlung sollten ESt, GewSt, Erbschaft- und Schenkungsteuer und eine etwaige VSt abgegolten sein. Für künftige Zins-, Dividenden- und sonstige Erträge sah das Abkommen eine Quellensteuer i. H. v. 25 % zuzüglich SolZ vor. Das Abkommen ist im Bundesrat abgelehnt worden und daher nicht in Kraft getreten.
2.4 ZeitlicheGeltung
Die EU-Zinsrichtlinie ist zum 1.1.2016 aufgehoben worden. Weitere Informationen können Sie der Richtlinie (EU) 2015/2060 DES RATES vom 10.11.2015 zur Aufhebung der Richtlinie 2003/48/EG im Bereich der Besteuerung von Zinserträgen entnehmen. Der letzte Datenaustausch wird entsprechend der o. g. Aufhebungsrichtlinie im Kalenderjahr 2016 für den Meldezeitraum 2015 erfolgen. Meldungen für den Meldezeitraum 2015 müssen auf elektronischem Weg bis zum 31.5.2016 (31.5. des Jahres, das auf das Jahr des Zuflusses der Zinserträge folgt) beim Bundeszentralamt für Steuern eingegangen sein. Ab dem Meldezeitraum 2016 (Zuflüsse ab dem 1.1.2016) werden Informationen entsprechend des Common Reporting Standard (CRS) ausgetauscht.