Leitsatz
1. Die vom BMF zu treffende Entscheidung, welcher Flugplatz Zollflugplatz ist, auf welchem Flugplatz also aus Drittländern einfliegende Luftfahrzeuge landen bzw. von welchem Flugplatz sie nach Drittländern abfliegen dürfen, richtet sich nicht an die Flugplatzbetreiber, sondern ist eine an den jeweiligen Flugzeugführer gerichtete zollrechtliche Verkehrsregelung.
2. Bei der im pflichtgemäßen Ermessen des BMF liegenden Entscheidung, ob ein Flugplatz in die Liste der Zollflugplätze aufgenommen wird, dürfen u.a. verwaltungsorganisatorische und verwaltungsökonomische Gesichtspunkte berücksichtigt werden, also auch die aus einem sog. Probebetrieb gewonnenen Erkenntnisse und eine darauf aufbauende Prognose hinsichtlich eines bestehenden Bedarfs für einen weiteren Zollflugplatz in der Region, solange bei der Entscheidung die Berufsausübungsfreiheit des durch die Entscheidung betroffenen Flugplatzbetreibers mit dem ihr zukommenden Gewicht berücksichtigt wird.
Normenkette
Art. 12 Abs. 1 GG, Art. 4 Nr. 5, Art. 38 Abs. 1, 4, Art. 243 Abs. 1 ZK, § 2 Abs. 2, 4 ZollVG
Sachverhalt
Ein Unternehmen betreibt einen Flugplatz, den es in die beim BMF geführte Liste der Zollflugplätze aufgenommen sehen möchte; auf solchen Flugplätzen dürfen aus Drittländern einfliegende Flugzeuge landen bzw. Flugzeuge dorthin starten, weil dort die zollamtliche Abfertigung sichergestellt ist. Der BMF lehnte dies ab, nachdem während eines "Probebetriebs" nur eine geringe Zahl grenzüberschreitender Flugbewegungen stattgefunden hatte.
Die deshalb erhobene Verpflichtungsklage hat der BFH zunächst mit Urteil vom 10.10.2007, VII R 36/06 (BFH/NV 2008, 181, BFH/PR 2008, 127) abgewiesen. Auf die hiergegen erhobene Verfassungsbeschwerde hat BVerfG das Urteil mit Beschluss vom 31.08.2009, 1 BvR 3275/07 (BFH/NV 2010, 1404) aufgehoben. Es ist der Ansicht, dass die Entscheidung des BMF, welcher Flugplatz Zollflugplatz sei, eine berufsregelnde Tendenz aufweise und eine hinsichtlich der Berufsausübungsfreiheit eingriffsgleiche Wirkung habe. Die behördliche Entscheidung müsse daher auch die nach Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsausübungsfreiheit des Flugplatzbetreibers berücksichtigen und das Gericht dies überprüfen.
Entscheidung
Der BFH hat in dem neuerlich ergangenen Urteil die Klage wiederum abgewiesen, und zwar weitgehend aus den nämlichen Gründen wie im ersten Urteil. Dort seien die Entscheidungskriterien für die vom BMF zu treffende Ermessensentscheidung bereits im Wesentlichen erläutert worden. Diese Entscheidung lasse entgegen der Ansicht des FG keine Rechtsfehler erkennen (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 28.03.2006, 11 K 386/04, Haufe-Index 1552139, EFG 2007 76); die sinngemäß vom FG gerügte angebliche Beeinflussung der Entscheidung durch sachwidrige Erwägungen sei vom FG nicht nachvollziehbar festgestellt, sondern als bloße Vermutung unterstellt worden. Daran sei der BFH nicht gebunden.
Hinweis
Wann jemand die materiell-rechtliche Prüfung einer behördlichen Entscheidung vom Gericht erwarten kann, wenn diese nicht durch Ge- oder Verbote unmittelbar in seine Rechtsstellung eingreift, sondern ihn nur aufgrund ihrer mittelbar-faktischen Wirkungen berührt (etwa durch Verschlechterung seiner wirtschaftlichen Chancen), wird in der deutschen Verwaltungsrechtsdogmatik seit langem durch die sog. Schutznormtheorie beantwortet: Es kommt darauf an, ob das einer solchen Entscheidung zugrunde liegende materielle Recht auch dem Schutz solcher Drittbetroffener dienen soll, was – da i.d.R. nicht ausdrücklich erklärt – durch Auslegung des betreffenden Gesetzes zu ermitteln ist.
Darüber hinaus leitet die herrschende Verwaltungsrechtsdogmatik einen Drittschutzanspruch dann aus den Grundrechten her, wenn eine Entscheidung den Dritten schwer und unerträglich betrifft (so insbesondere beim baurechtlichen Nachbarschutz).
Der BFH ist bei der ersten, vom BVerfG später aufgehobenen Zollflugplatz-Entscheidung von dieser Schutznormtheorie ausgegangen. Sie lasse eine Rechtsverletzung des Flughafenbetreibers zwar möglich erscheinen – sodass seine Klage zulässig sei –, gewähre ihm aber keinen Anspruch darauf, dass im Rahmen der Begründetheitsprüfung vom Gericht untersucht wird, ob sein Recht auf Berufsfreiheit u. dgl. ausreichend berücksichtigt worden ist. Es bestehe also in diesem Zusammenhang kein Anspruch auf Drittschutz, sondern nur eine nicht abwehrfähige faktische mittelbare Betroffenheit des Flughafenbetreibers.
Das hat das BVerfG in der auf Verfassungsbeschwerde des Betreibers ergangenen Beschwerdeentscheidung missbilligt. Es leitet aus Art. 12 Abs. 1 GG einen Drittschutzanspruch her. Die Entscheidung über die Aufnahme eines Flugplatzes in die Liste der Zollflughäfen habe nämlich berufsregelnde Tendenz und "eingriffsgleiche Wirkung". Dass Maßnahmen mit solcher eingriffsgleichen Wirkung vor Gericht angegriffen werden können, hatte das BVerfG schon früher insbesondere in den beiden Entscheidungen ausgesprochen, in denen es um Rechtsschutz gegen angeblich unwahre und diskriminier...