Beraterhinweis Auch die sog. retrograde Erhebung gespeicherter Standortdaten – etwa zur Erstellung eines sog. Bewegungsprofils des Verdächtigen – kann im Steuerstrafverfahren nicht zur Anwendung kommen, weil § 100g Abs. 1 S. 3 StPO dies aus Gründen der Verhältnismäßigkeit ebenfalls an die Voraussetzungen des § 100g Abs. 2 StPO knüpft. Zulässig ist die Erhebung von Standortdaten dagegen unter den erleichterten Voraussetzungen des § 100g Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StPO, wenn dies z.B. für die Ermittlung des aktuellen Aufenthaltsorts des Beschuldigten erforderlich ist (§ 100g Abs. 1 S. 4 StPO).
Ferner ist es nach § 100i StPO zugelassen, die Gerätenummer eines Mobiltelefons, die sog. IMEI und die Kartennummer der darin verwendeten SIM-Karte (IMSI), wie auch den Standort eines Mobilfunkendgeräts durch technische Mittel festzustellen. Der Einsatz dieses sog. "IMSI-Catchers" kommt dann in Betracht, wenn bekannt ist, dass an einem bestimmten Ort Mobilfunktelekommunikation betrieben wird, nähere Erkenntnisse über die Identität des Teilnehmers oder das verwendete Mobiltelefon jedoch nicht vorliegen oder der Benutzer verschiedene SIM-Karten benutzt. Die Erfassung der IMSI oder der IMEI macht sich zunutze, dass sich alle Mobiltelefone, die im empfangsbereiten Zustand mitgeführt werden, in kurzen Abständen bei einer bestimmten Basisstation des Mobilfunknetzes anmelden. Das gesamte Mobilfunknetz ist in einzelne Funkzellen aufgeteilt. Die Erfassung der IMSI und IMEI erfolgt dadurch, dass innerhalb einer solchen Funkzelle eine Basisstation des Mobilfunknetzes durch den "IMSI-Catcher" simuliert wird. Sämtliche eingeschalteten Mobiltelefone, die sich im Einzugsbereich des "IMSI-Catchers" befinden, senden nunmehr ihre Daten an diesen. Durch entsprechende Messungen lässt sich das gesuchte Gerät eruieren, wenn es aktuell eingeschaltet ist.
Beispiel:
Die Zollfahndung ermittelt gegen eine polnische Tätergruppierung, die im Verdacht steht, unversteuerte und unverzollte Zigaretten nach Deutschland einzuschmuggeln. Die Handys verschiedener Verdächtiger werden bereits überwacht. Die Fahnder möchten jedoch in Bezug auf eine geplante Übergabe größerer Zigarettenmengen konkret wissen, wo der als Kopf der Bande eingeschätzte Verdächtige sich aktuell befindet. Eine Observation erscheint im Hinblick auf die örtlichen Verhältnisse nicht zielführend bzw. zu riskant.
Stille SMS: Schließlich ist es technisch möglich und rechtlich erlaubt, dass die Ermittlungsbehörden wie etwa die Steufa oder die Zollfahndung eine sog. stille SMS (auch "stealth ping") einsetzen. Dabei wird eine SMS an eine Handynummer gesandt, die zwar eine Verbindung mit dem angewählten Mobiltelefon erzeugt, jedoch von dessen Nutzer nicht bemerkt werden kann, da sie im Nachrichteneingang nicht angezeigt wird. Der Empfang der SMS bewirkt wie stets eine Rückmeldung des Mobiltelefons bei der Funkzelle, in welcher das Telefon eingebucht ist. Dadurch wird beim Netzbetreiber ein Verkehrsdatensatz erzeugt, der auch die Angabe der benutzten Funkzelle beinhaltet. Nach einer Abfrage der Daten bei dem Netzbetreiber kann der ungefähre Standort des Mobiltelefons im Zeitpunkt des Empfangs der stillen SMS bestimmt werden, wenn das Telefon eingeschaltet und empfangsbereit ist.
Beraterhinweis Die Rechtsgrundlage für den Einsatz einer stillen SMS findet sich in § 100i Abs. 1 Nr. 2 StPO (vgl. BGH v. 8.2.2018 – 3 StR 400/17, wistra 2018, 516; Eschelbach in Satzger/Schluckebier/Widmaier, StPO, 4. Aufl. 2020, § 100i Rz. 4; Tormöhlen in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 404 AO Rz. 63f [Juli 2022]). Voraussetzung ist hier allerdings, dass der Verdacht einer schweren Straftat aus dem Katalog des § 100a Abs. 2 StPO gegeben ist, also z.B. Bandenschmuggel, USt-Karussellgeschäfte, schwere bandenmäßige Hinterziehung anderer Steuerarten nach § 370 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 AO (s. oben IV.1!) und dass die Maßnahme zur Sachverhaltserforschung oder Aufenthaltsermittlung des Beschuldigten erforderlich ist.