Leitsatz
Die Umsätze, die ein gemeinnütziger Verein zur Förderung des Wohlfahrtswesens aus Gastronomieleistungen und der Zurverfügungstellung einer öffentlichen Toilette erzielt, sind selbst dann nicht nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG ermäßigt zu besteuern, wenn diese Leistungen der Verwirklichung satzungsmäßiger Zwecke gedient haben.
Normenkette
§ 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG, § 65, § 66, § 68 Nr. 3 Buchst. c AO
Sachverhalt
Ein gemeinnütziger Verein zur Förderung des Wohlfahrtswesens unterstützte Personen, die infolge ihres körperlichen, geistigen oder seelischen Zustands der Hilfe bedürfen, seit 2007 u.a. dadurch, dass er in X ein Bistro und eine öffentliche Toilette betreibt. Die Lohnkosten der im Bistro beschäftigten ehemaligen Langzeitarbeitslosen wurden durch öffentliche Mittel gefördert.
Der Verein unterwarf die Umsätze aus dem Betrieb des Bistros und der öffentlichen Toilette gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 1 UStG dem ermäßigten Steuersatz.
Im Rahmen einer Außenprüfung gelangte der Prüfer zu der Auffassung, dass es sich bei dem Bistro um einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb handele, der kein Zweckbetrieb sei. Folglich sei der Regelsteuersatz anzuwenden. Der gegen die Umsatzsteuer-Änderungsbescheide eingelegte Einspruch des Klägers hatte keinen Erfolg.
Das FG (FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 7.11.2016, 5 K 5372/14, Haufe-Index 10886930) wies die Klage ab.
Entscheidung
Der BFH hob die Vorentscheidung auf und verwies die Sache an das FG zurück. Er bestätigte zwar, dass § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG keine Steuerermäßigung gewähre. Allerdings seien vom FG noch andere Ermäßigungstatbestände zu prüfen (z.B. der ermäßigte Steuersatz für die Abgabe von Speisen zum Mitnehmen o.Ä.).
Offengelassen hat der BFH, ob nicht doch – entgegen der Annahme des FA – ein Zweckbetrieb vorliegt.
Hinweis
1. § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 1 UStG sieht vor, dass (sämtliche) Leistungen von Körperschaften, die ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke i.S.d. §§ 51 bis 68 AO verfolgen, mit dem ermäßigten Steuersatz besteuert werden.
2. Dieser weit gefasste gesetzliche Wortlaut ist aus Sicht des BFH mit Unionsrecht nicht zu vereinbaren: Andere als gemeinnützige Leistungen müssten vom ermäßigten Steuersatz ausgeschlossen werden (BFH, Urteil vom 10.8.2016, V R 11/15, BFH/NV 2017, 139, BStBl II 2018, 113, Rz 22); denn nach Anhang III Nr. 15 MwStSystRL bestehe nur die Befugnis, für die steuerpflichtigen Leistungen der von den Mitgliedstaaten anerkannte[n] gemeinnützige[n] Einrichtungen für wohltätige Zwecke und im Bereich der sozialen Sicherheit einen ermäßigten Steuersatz anzuwenden.
3. Aufgrund dieser Erkenntnis legt der BFH u.a. die Gegenausnahme des § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 3 UStG (bei Leistungen, die nicht gemeinnützig sind) möglichst weit aus (vgl. BFH, Urteil vom 8.3.2012, V R 14/11, BFH/NV 2012, 1282, BStBl II 2012, 630, Rz. 30; BFH, Urteil vom 20.3.2014, V R 4/13, BFH/NV 2014, 1470, Rz. 25).
4. Dies führt dazu, dass nach Auffassung der Rechtsprechung auch die Gastronomieumsätze eines gemeinnützigen Vereins ebensowenig nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG ermäßigt zu besteuern sind wie die Umsätze aus dem Betrieb einer öffentlichen Toilette. Der Verein tritt damit in Wettbewerb zu privaten Anbietern, die dieselben Leistungen anbieten. Der satzungsmäßige Zweck selbst wird durch solche Leistungen auch dann nicht verwirklicht, wenn im Unternehmen Menschen mit Behinderungen beschäftigt werden.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 23.7.2019 – XI R 2/17