Leitsatz
1. Auf den Zeitpunkt der Entrichtung des Entgeltes kommt es für die Steuerentstehung bei Sollversteuerung nicht an.
2. Da § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 3 UStG nicht unionsrechtskonform auslegbar ist, setzt die Anwendung von Art. 10 Abs. 2 Satz 2 der Richtlinie 77/388/EWG (nunmehr Art. 64 MwStSystRL) voraus, dass der Steuerpflichtige sich auf die Vorschrift beruft.
Normenkette
§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a, § 16 Abs. 1 UStG, Art. 10 Abs. 2 Satz 2 6. EG-RL (= EWGRL 388/77), § 118 Abs. 2 FGO, § 133, § 157 BGB
Sachverhalt
Der Kläger versuchte zunächst mit einer Klage vor dem Verwaltungsgericht N gegen den Planfeststellungsbeschluss die Schließung seines Bahnübergangs zu verhindern.
Mit Vereinbarung vom 18.5.2005 zwischen der DB Netz AG und dem Kläger stimmte der Kläger der Aufhebung des Bahnübergangs zu. Die DB Netz AG verpflichtete sich in der vorgenannten Vereinbarung zum Bau eines Ersatzwegs und für die aus der Bahnübergangsaufhebung resultierenden Betriebserschwernisse zur Zahlung eines Entschädigungsbetrags von 128.369,93 EUR. Auch die aus der Entschädigungszahlung entstehenden Steuerbelastungen sollten dem Kläger von der DB Netz AG erstattet werden. Der Bahnübergang sollte erst nach Fertigstellung der Sicherungsanlage an einem anderen Bahnübergang, zu dem der zu bauende Ersatzweg führte, und nach Fertigstellung des Ersatzwegs geschlossen werden. Die Entschädigungszahlung war nach Schließung des Bahnübergangs zu zahlen.
Die verwaltungsgerichtliche Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss nahm der Kläger mit Schriftsatz vom 18.5.2005 zurück. Die Schließung des Bahnübergangs erfolgte im Streitjahr 2006.
Das FA ging von einer in 2006 steuerpflichtig erbrachten Leistung aus. Die hiergegen gerichtete Klage zum FG hatte Erfolg, da die Leistung bereits mit der Klagerücknahme in 2005 erbracht worden sei (FG Münster, Urteil vom 28.9.2017, 5 K 1117/16 U, Haufe-Index 11379721, EFG 2017, 1834).
Entscheidung
Der BFH bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz.
Hinweis
1. Eine Klagerücknahme durch einen Unternehmer aufgrund einer zuvor abgeschlossenen und hierauf gerichteten Vereinbarung gegen Vergütung ist eine steuerbare und auch steuerpflichtige Leistung.
2. Der Unternehmer erbringt diese Leistung im Rahmen der Besteuerung nach vereinbarten Entgelten (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a UStG) bereits mit der Klagerücknahme. Auf eine erst später erfolgende Vereinnahmung der Vergütung aufgrund einer entsprechenden vertraglichen Regelung kommt es im Rahmen dieser Sollbesteuerung nicht an.
3. Eine erst spätere Besteuerung mit Zufluss aufgrund von Dienstleistungen, die nach Art. 64 MwStSystRL zu aufeinander folgenden Abrechnungen oder Zahlungen Anlass geben, kommt nur in Betracht, wenn sich der Unternehmer auf das Unionsrecht beruft, da das nationale Recht nicht entsprechend dieser Bestimmung richtlinienkonform auslegbar ist (BFH, Urteil vom 26.6.2019, V R 8/19 (V R 51/16),BFH/NV 2019, 1211).
4. Der Streitfall weist die Besonderheit auf, dass das FA die Besteuerung für das Jahr der Vereinnahmung vornimmt, obwohl der der Sollbesteuerung unterliegende Unternehmer die Leistung bereits im Jahr davor erbracht hat und sich nicht auf eine spätere Besteuerung erst mit Vereinnahmung beruft, die nach dem Unionsrecht möglich sein könnte.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 22.8.2019 – V R 47/17