Leitsatz
"Wirtschaftsgut" i.S. des § 15a UStG und damit Berichtigungsobjekt ist bei einem in Abschnitten errichteten Gebäude der Teil, der entsprechend dem Baufortschritt in Verwendung genommen worden ist.
Normenkette
§ 15a UStG, § 44 Abs. 2 UStDV, Art. 189 Buchst. a, b und d EGRL 112/2006 (= MwStSystRL), Art. 20 6. EG-RL (= EWGRL 388/77), Art. 13b EUV 1042/2013
Sachverhalt
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Inhaber eines Weinbau-Betriebs, eines Gewerbebetriebs "Weinkommission" und erbringt daneben landwirtschaftliche Dienstleistungen. Auf seine landwirtschaftlichen Umsätze wendete der Kläger § 24 UStG an.
Im Jahr 2006 erweiterte der Kläger sein Betriebsgebäude und errichtete ein gemischt genutztes Gebäude. Nach den Plänen befinden sich im UG eine Wohnung für Erntehelfer sowie ein Labor, ein Büro, ein Archiv und Räume für die "Weinkommission". Im EG befindet sich neben privaten Wohnräumen ein Empfangsraum. Im OG waren neben weiteren privaten Wohnräumen zwei Ferienwohnungen geplant. Ende 2008 waren Unter- und Erdgeschoss sowie die Wohnräume im Obergeschoss fertig gestellt, nicht aber die Ferienwohnungen.
Der Kläger ordnete das gesamte Gebäude seinem Unternehmen zu und zog die Vorsteuer ab. Die nicht abziehbare Vorsteuer für den Weinbau-Betrieb betrage (nach einem Flächenschlüssel) 11,51 %.
In den Umsatzsteuererklärungen für die Streitjahre (2009 bis 2012) berichtigte der Kläger die Vorsteuer nicht.
Im Rahmen einer Außenprüfung stellte der Prüfer fest, dass das Kellergeschoss hälftig dem landwirtschaftlichen Betrieb und dem Gewerbebetrieb diene (Änderung der maßgeblichen Verhältnisse: 10,95 %). Die beiden Ferienwohnungen seien 2015 noch im Rohbau gewesen. Es liege eine Errichtung in zwei Bauabschnitten vor, wobei die beiden Ferienwohnungen dem zweiten Bauabschnitt zuzuordnen seien. Die Vorsteuer für den ersten Bauabschnitt sei nach § 15a UStG zu berichtigen.
Das FA änderte mit Bescheiden vom 22.5.2015 die Umsatzsteuerfestsetzungen für die Streitjahre entsprechend. Die Einsprüche blieben erfolglos.
Die Vorinstanz (FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 25.4.2019, 6 K 1630/16, Haufe-Index 13145993, EFG 2019, 1144) gab der Klage statt. Es meinte, eine Aufteilung des Gebäudes für Berichtigungszwecke sei nicht vorzunehmen. Aufgrund der sog. Seeling-Rechtsprechung sei das Zuordnungsobjekt im Streitfall das gesamte Gebäude gewesen. Bezüglich des gesamten Objekts sei nach § 15a Abs. 11 UStG i.V.m. § 44 Abs. 2 UStDV keine Berichtigung vorzunehmen. Weder die absolute Grenze von 1.000 EUR je Kalenderjahr für das Berichtigungsvolumen noch die Grenze von 10 % seien überschritten (8,79 %).
Entscheidung
Der BFH hob die Vorentscheidung auf und verwies den Rechtsstreit an das FG zurück. Berichtigungsobjekt ist nur der verwendete Teil des Gebäudes (1. Bauabschnitt) ohne die noch nicht erstmalig verwendeten Ferienwohnungen. Ob für diesen Teil die Voraussetzungen für eine Vorsteuerberichtigung vorliegen, muss das FG nun prüfen.
Hinweis
1. Ändern sich bei einem Wirtschaftsgut (Investitionsgut), das nicht nur einmalig zur Ausführung von Umsätzen verwendet wird, innerhalb von 5 bzw. 10 Jahren ab dem Zeitpunkt der erstmaligen Verwendung die für den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnisse, ist für jedes Kalenderjahr der Änderung eine Vorsteuerberichtigung vorzunehmen (§ 15a Abs. 1 Satz 1 und 2 UStG).
2. Wie ist aber zu verfahren, wenn zwar ein einziges Investitionsgut vorliegt, aber nur ein Teil des Investitionsguts verwendet wird? Eine derartige Situation kann z.B. eintreten, wenn ein Gebäude in Etappen fertig gestellt wird.
3. Die Antwort der herrschenden Meinung in der Literatur, der Finanzverwaltung und des BFH auf diese Frage ist nach dem Besprechungsurteil einheitlich: Berichtigungsobjekt ist in einem solchen Fall nur der in dem Besteuerungszeitraum erstmalig verwendete Teil (mit der für ihn geltenden Frist). Wird in einem späteren Besteuerungszeitraum ein weiterer Teil erstmalig verwendet, ist er ein weiteres Berichtigungsobjekt (mit der für ihn geltenden Frist).
4. Auch die Prüfung der Vereinfachungsregelung des § 44 UStDV ist für den verwendeten Teil vorzunehmen.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 29.4.2020 – XI R 14/19