[Ohne Titel]
Dipl. Finw. (FH) Lukas Münch, LL.M.
Der Umgang mit Pflichtteilsansprüchen und -lasten ist immer wieder Gegenstand der Diskussion in der erbschaft- und schenkungsteuerlichen Rspr. und Literatur. Die durchaus komplexe Steuerrechtslage, die insb. zwischen Vereinbarungen vor und nach dem Erbfall sowie zwischen geltend gemachten und nicht geltend gemachten Pflichtteilsansprüchen kategorisch unterscheidet, stellt Steuerpflichtige, Beratende, Finanzverwaltung und Gerichte vor Herausforderungen. Andererseits bietet die zivilrechtliche Vertragsfreiheit steuerlich interessante Gestaltungsmöglichkeiten. In finanzgerichtlichen Verfahren wurde zuletzt die Frage aufgeworfen, wie ein solcher Verzicht gegen Abfindung zu behandeln ist, wenn der zugrunde liegende Pflichtteilsanspruch verjährt ist. Die Finanzverwaltung hat hier insb. die Auffassung vertreten, dass die Abfindungszahlung in diesem Fall steuerlich nicht abzugsfähig ist. Der Beitrag beleuchtet die steuerliche Behandlung derartiger Verzichte und geht insb. der Frage nach, ob dem Verjährungseintritt tatsächlich die von der Finanzverwaltung angenommene Bedeutung zukommt.
I. Einleitung
Der Umgang mit Pflichtteilsansprüchen und -lasten ist immer wieder Gegenstand der Diskussion in der erbschaft- und schenkungsteuerlichen Rspr. und Literatur. Die durchaus komplexe Steuerrechtslage, die insb. zwischen Vereinbarungen vor und nach dem Erbfall sowie zwischen geltend gemachten und nicht geltend gemachten Pflichtteilsansprüchen kategorisch unterscheidet, stellt Steuerpflichtige, Beratende, Finanzverwaltung und Gerichte vor Herausforderungen. Andererseits bietet die zivilrechtliche Vertragsfreiheit steuerlich interessante Gestaltungsmöglichkeiten, die insb. auch noch nach Eintritt des Erbfalls Korrekturen etwaiger Versäumnisse erlauben. Eine solche Gestaltungsmöglichkeit ist der Verzicht gegen Abfindung.
In finanzgerichtlichen Verfahren wurde zuletzt die Frage aufgeworfen, wie ein solcher Verzicht gegen Abfindung zu behandeln ist, wenn der zugrunde liegende Pflichtteilsanspruch verjährt ist. Die Finanzverwaltung hat hier insb. die Auffassung vertreten, dass die Abfindungszahlung in diesem Fall steuerlich nicht abzugsfähig ist. Der Beitrag beleuchtet die steuerliche Behandlung derartiger Verzichte und geht insb. der Frage nach, ob dem Verjährungseintritt tatsächlich die von der Finanzverwaltung angenommene Bedeutung zukommt.
II. Zivilrechtliche Grundlagen
1. Anspruchsentstehung und -verjährung
Pflichtteilsansprüche entstehen nach § 2303 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB, wenn Abkömmlinge, Eltern bzw. Ehe- oder Lebenspartner (im Fall der Lebenspartnerschaft gilt § 10 Abs. 6 LPartG) durch Verfügung von Todes wegen von der Erbfolge ausgeschlossen werden. Ein entsprechender Anteil am Nachlass geht – anders als bei der Universalsukzession nach § 1922 Abs. 1 BGB – nicht ohne weiteres auf die pflichtteilsberechtigte Person über. Vielmehr steht dieser nach dem Wortlaut des § 2303 Abs. 1 Satz 1 BGB ("kann [...] den Pflichtteil verlangen") lediglich ein schuldrechtlicher Anspruch gegen die Erben zu, der nach § 2317 Abs. 1 BGB mit dem Erbfall entsteht. Der Anspruch umfasst nach § 2301 Abs. 1 Satz 2 BGB die Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils, wobei für die Wertermittlung §§ 2311 ff. BGB gelten und erforderlichenfalls nach § 2311 Abs. 2 Satz 1 BGB eine Schätzung erfolgen muss. Die Erben trifft eine Auskunftspflicht nach § 2314 Abs. 1 BGB (vgl. hierzu etwa Horn, NJW 2016, 1559, 1560), deren Erfüllung erforderlichenfalls im Wege des § 888 Abs. 1 ZPO erzwingbar ist (Hülsmann in Wilms/Jochum, ErbStG, § 3 Rz. 154). Ist der pflichtteilsberechtigten Person ein Erbteil hinterlassen, der wertmäßig hinter dem Pflichtteil zurückbleibt, so kann die Differenz als Zusatzpflichtteil nach § 2304 Satz 1 BGB verlangt werden. Erbeinsetzung und Pflichtteilsberechtigung schließen sich also nicht per se aus (vgl. auch § 2314 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 BGB, § 2316 Abs. 2 Halbs. 1 BGB, § 2318 Abs. 3 Halbs. 1 BGB, § 2319 Satz 1 Halbs. 1 BGB, § 2328 Halbs. 1 BGB), so dass auch in steuerlicher Hinsicht im Grundsatz die Tatbestände nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 Var. 1 und Var. 3 ErbStG nebeneinander einschlägig sein können.
Der Pflichtteilsanspruch verjährt seit der Erbrechtsreform 2010 (Gesetz zur Änderung des Erb- und Verjährungsrechts v. 24.9.2009, BGBl. I 2009, 3142) mangels spezieller Regelung innerhalb der regelmäßigen Verjährungsfrist (vgl. Obergfell in BeckOGK/BGB, § 2303 Rz. 55; ob die Verjährungsfrist testamentarisch verlängert werden kann, ist umstritten, vgl. etwa Grothe in MünchKomm/BGB, § 202 Rz. 4 m.w.N.). Die Verjährungsfrist beginnt nach § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und – kumulativ – die pflichtteilsberechtigte Person von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners oder der Schuldnerin Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Demnach kann der Beginn der Verjährun...