Leitsatz
Ein berechtigtes Interesse an der isolierten Aufhebung einer Einspruchsentscheidung kann nicht dadurch begründet werden, dass den Steuerpflichtigen durch eine möglicherweise rechtswidrige Einspruchsentscheidung im Fall des § 363 Abs. 2 Satz 2 AO die Möglichkeit genommen ist, weitere Punkte in einem Einspruchsverfahren vorzutragen.
Sachverhalt
Im Klageverfahren wegen Einkommensteuer für das Jahr 2002 beantragen die Kläger die isolierte Aufhebung der durch das Finanzamt erlassenen Einspruchsentscheidung. Zur Begründung tragen sie im Wesentlichen vor, dass wegen der gesetzlichen Zwangsruhe nach § 363 Abs. 2 AO der Erlass der Einspruchsentscheidung ermessenfehlerhaft und daher nicht zulässig gewesen sei. Ihnen sei dadurch die Möglichkeit genommen worden, weitere Punkte vorzutragen. Die Einspruchsentscheidung sei im Übrigen insoweit rechtswidrig, als die Beiträge zur Krankenversicherung zu berücksichtigen seien. Die so genannte "Pro-Futuro"- Rechtsprechung des BVerfG verweigere dem Bürger einen effektiven Rechtsschutz.
Entscheidung
Nach Auffassung des FG liegt ein berechtigtes Interesse an der isolierten Aufhebung der Einspruchsentscheidung infolge einer Verletzung des Ruhens kraft Gesetzes nach § 363 Abs. 2 Satz 2 AO aufgrund der abschließenden Entscheidungen der von den Klägern benannten gerichtlichen Verfahren nicht vor. Mit dem Abschluss der genannten Verfahren entfällt ein berechtigtes Interesse an einer isolierten Aufhebung der Einspruchsentscheidung, da in diesem Fall Sinn und Zweck des § 363 Abs. 2 Satz 2 AO nicht mehr erfüllt werden können. § 363 Abs. 2 Satz 2 AO dient der Verfahrensökonomie. Die Vorschrift soll eine unnötige Belastung der Finanzbehörden und der Finanzgerichte mit gleich gelagerten Streitfällen vermeiden. Insbesondere bei anhängigen Musterprozessen soll es in aller Regel den Interessen des Einspruchsführers und der Finanzbehörden dienen, den Ausgang der höchstrichterlichen Entscheidung abzuwarten. Die Vorschrift des § 363 Abs. 2 Satz 2 AO dient jedoch nicht einem Interesse des Einspruchsführers, von künftigen Rechtsprechungsänderungen zu derzeit nicht streitigen Fragen zu profitieren und den Steuerfall möglichst lange offen zu halten.
Hinweis
Die von dem FG zugelassene Revision wurde eingelegt und wird bei dem BFH unter dem Az. X R 41/09 geführt. Da sich das FG nicht erkennbar zur Frage der Verletzung des rechtlichen Gehörs und der Verweigerung eines effektiven Rechtsschutzes durch die "Pro-Futuro"-Rechtsprechung des BVerfG geäußert hat, wird die Entscheidung des BFH mit Spannung erwartet. Bei vergleichbaren Sachverhalten bleibt zunächst nur der kostenpflichtige Klageweg. Soweit sich das vorstehende Urteil noch mit anderen Rechtsfragen befasst, wird auf die Kommentierungen der Senatsurteile vom 31.7.2009, 1 K 4/09 und 1 K 23/09, wird verwiesen.
Link zur Entscheidung
FG Hamburg, Urteil vom 31.07.2009, 1 K 25/09