Prof. Dr. Franceska Werth
Leitsatz
Erhält ein (Schein-)Gesellschafter eine von der Gewinnsituation abhängige, nur nach dem eigenen Umsatz bemessene Vergütung und ist er zudem von einer Teilhabe an den stillen Reserven der Gesellschaft ausgeschlossen, kann wegen des danach nur eingeschränkt bestehenden Mitunternehmerrisikos eine Mitunternehmerstellung nur bejaht werden, wenn eine besonders ausgeprägte Mitunternehmerinitiative vorliegt. Hieran fehlt es jedoch, wenn zwar eine gemeinsame Geschäftsführungsbefugnis besteht, von dieser aber tatsächlich wesentliche Bereiche ausgenommen sind.
Normenkette
§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 18 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 EStG
Sachverhalt
Die Kläger sind Ärzte und betrieben im Streitjahr 2007 gemeinschaftlich eine Arztpraxis. Im Jahr 1998 schlossen sie mit der Beigeladenen, die ebenfalls Ärztin ist, einen "Vertrag über die Errichtung einer ärztlichen Gemeinschaftspraxis" in der Rechtsform einer GbR. Die Beigeladene war bis zum 31.3.2001 nicht an den materiellen Werten der Gemeinschaft beteiligt. Ihr wurde jedoch das Recht eingeräumt, mit Wirkung zum 31.3.2001 ein Drittel "der Praxis" zu erwerben.
Gemäß dem Gesellschaftsvertrag sollte die Geschäftsführung gemeinschaftlich ausgeübt werden; Entscheidungen waren mehrheitlich zu treffen. Für alle künftig aus der Gemeinschaftspraxis entstehenden Verbindlichkeiten gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung, den Kassen und den Patienten sollten die Vertragspartner als Gesamtschuldner haften. Die Partner waren jedoch im Verhältnis zueinander nach dem Grad des jeweiligen Verschuldens zum Ausgleich verpflichtet. Des Weiteren war für jeden Vertragspartner eine angemessene Berufshaftpflichtversicherung abzuschließen. Hinsichtlich der Gewinnverteilung wurde vereinbart, dass die Beigeladene bis zum 31.3.2001 jährlich 37 % vom eigenen Honorarumsatz für die ersten 200.000 DM und 42 % vom eigenen Honorarumsatz für die darüberliegende Summe erhalten sollte. Voraussetzung war, dass ein entsprechender Gewinn erzielt wurde. Nach Ausübung der Option zur finanziellen Beteiligung sollte die Beigeladene einen Gewinn- oder Verlustanteil entsprechend ihrer Beteiligung erhalten. Bis zum 31.3.2001 waren alle Reparaturen und Wartungen der gemeinsam genutzten Gegenstände auf Kosten der Kläger durchzuführen. Arbeitgeber des gemeinsamen ärztlichen und nicht ärztlichen Personals war die Gemeinschaftspraxis. Die Verfügungsmacht über die Konten und die Barkasse lag bis zum 31.3.2001 bei den Klägern. Die aus der gemeinsamen privaten und kassenärztlichen Tätigkeit entstehenden Honorare sollten auf die Konten der Gemeinschaftspraxis oder in die Barkasse fließen. Für den Fall des Ausscheidens eines Gesellschafters war keine Abfindungszahlung vorgesehen. Dem Ausscheidenden war es untersagt, sich innerhalb von drei Jahren nach seinem Ausscheiden im Umkreis von 15 km vom Sitz der Praxis als Arzt mit Privat- oder Kassentätigkeit niederzulassen bzw. eine vergleichbare Tätigkeit an einem Krankenhaus auszuüben.
Die Beigeladene machte von der Erwerbsoption zum 31.3.2001 keinen Gebrauch. Der Gesellschaftsvertrag wurde unverändert fortgeführt. Im Jahr 2011 erwarb die Beigeladene einen 2,5 %‐igen Gesellschaftsanteil.
Nach einer Außenprüfung gelangte das FA zu der Auffassung, dass die Beigeladene im Streitjahr 2007 nicht als Mitunternehmerin der GbR anzusehen sei. Die Einkünfte der GbR seien somit nicht gesondert und einheitlich für die Kläger und die Beigeladene festzustellen. Es handle sich um eine zweigliedrige GbR, die Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielte. Die hiergegen erhobene Klage hatte keinen Erfolg (FG Düsseldorf, Urteil vom 19.9.2013, 11 K 3968/11 F, Haufe-Index 6670849, EFG 2014, 840).
Entscheidung
Der BFH hat die Revision der Kläger aus den in den Praxishinweisen erläuterten Gründen zurückgewiesen.
Hinweis
1. Wollen sich Freiberufler mit einem weiteren Kollegen zusammenschließen, stehen sie vor einem – unter Umständen teuren – Dilemma. Machen sie diesen sogleich zum Partner einer Mitunternehmerschaft und scheitert die Zusammenarbeit, kann die "Scheidung" streitintensiv und teuer werden. Soll die Zusammenarbeit zunächst ohne eine gesellschaftsrechtlich allzu enge Bindung "erprobt" werden, droht das Damoklesschwert der Gewerbesteuerpflicht der an sich freiberuflichen Tätigkeit. So war es auch im vorliegenden Fall.
2. Die Kläger, zwei freiberuflich tätige Ärzte, wollten eine junge Kollegin (die Beigeladene) mit ins Team nehmen. Der Gesellschaftsvertrag war so ausgestaltet, dass die neue Kollegin nicht an den stillen Reserven der Wirtschaftsgüter und dem Gewinn der Praxisgemeinschaft beteiligt war. Der BFH hat offengelassen, ob eine solche Nullbeteiligung überhaupt zur Annahme einer Gesellschafterstellung an einer GbR führen kann. Jedenfalls hat er das Vorliegen einer Mitunternehmerschaft gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 18 Abs. 4 Satz 2 EStG verneint. Eine Umsatzbeteiligung ist nach Auffassung des BFH nicht einer Gewinnbeteiligung gleichzusetzen. Dies gelte auch dann, wenn die Auszahlung der Umsatzbeteiligu...