Leitsatz
Verwaltungsleistungen gegen Entgelt (z.B. Lagerung/Archivierung von Akten oder die Erledigung von Schreibarbeiten), die aufgrund vertraglicher Vereinbarungen zwischen verschiedenen Medizinischen Diensten der Krankenversicherung erbracht werden, sind weder nach § 4 Nr. 15a UStG noch nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL steuerfrei.
Normenkette
§ 4 Nr. 15a UStG, Art. 132 Abs. 1 Buchst. g EGRL 112/2006 (= MwStSystRL)
Sachverhalt
Der Rechtsvorgänger der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) war ein MDK in der Rechtsform eines e.V. (MDK Z). Er war Alleingesellschafter der X-GmbH.
Der MDK Z und der MDK A vereinbarten erstens, dass der MDK Z die Lagerung, Betreuung, optische Archivierung (Digitalisierung/elektronische Erfassung) sowie die Vernichtung der Gutachtenakten des MDK A übernimmt. Eventuell anfallende USt hat der MDK A zu tragen.
Zweitens wurde der MDK Z im Jahr 2006 mit dem Schreiben von Gutachten der Gutachter des MDK A "nach Diktat" beauftragt. Dem MDK Z war die Unterbeauftragung der X-GmbH gestattet. Eventuell anfallende USt hat der MDK A zu tragen.
Der MDK Z schloss später einen weiteren Vertrag mit dem MDK B, in dem er ebenfalls das Schreiben von Gutachten übernahm. Dem MDK Z war erneut die Unterbeauftragung der X-GmbH gestattet. Die Vertragsparteien gingen ausdrücklich davon aus, dass die vertraglichen Leistungen gemäß § 4 Nr. 15a UStG von der USt befreit seien. Sollte dennoch "eine Umsatzsteuer fällig werden", wäre sie vom MDK B zusätzlich zu zahlen.
Das FA nahm an, dass der MDK Z mit den genannten Vorgängen steuerpflichtige Leistungen erbracht habe, und setzte USt fest. Der Einspruch hatte nur in der Höhe Erfolg (höherer Vorsteuerabzug). Im Übrigen hielt das FA an seiner Auffassung fest, dass eine Steuerbefreiung für die Umsätze nicht zu gewähren sei.
Die (vom BFH zur Wahrung des Steuergeheimnisses anonymisierte) Vorinstanz wies die Klage ab. Die streitgegenständlichen Leistungen seien nicht von der USt befreit. Insbesondere sei der Tatbestand des § 4 Nr. 15a UStG nicht erfüllt.
Zwischenzeitliches Ruhen des vorliegenden Verfahrens
Das Verfahren hatte zwischenzeitlich bis zum Ergehen des EuGH-Urteils Finanzamt D vom 8.10.2020, C-657/19 (EU:C:2020:811) geruht.
Entscheidung
Der BFH wies die Revision als unbegründet zurück.
Hinweis
Allgemeine Geschäftsführungs- und Verwaltungsleistungen sind nach der ständigen Rechtsprechung des BFH auch im Sozialbereich grundsätzlich nicht umsatzsteuerfrei (vgl. BFH-Urteil vom 23.7.2009, V R 93/07, BStBl II 2015, 735 Rz. 34; BFH-Urteil vom 7.12.2016, XI R 5/15, BFHE 256, 550, Rz. 24, BFH/NV 2017, 863). Dies gilt auch nach Ergehen des EuGH-Urteils Finanzamt D vom 8.10.2020, C-657/19 (EU:C:2020:811) weiter (vgl. dazu auch EuGH-Urteil EQ vom 5.4.2021, C-846/19, EU:C:2021:277, Rz. 66 f. zu Rechts- und Beratungsleistungen). Deshalb sind z.B. Schreibarbeiten oder Aktenverwaltungsleistungen, die auch private Wettbewerber erbringen könnten, umsatzsteuerpflichtig, auch wenn sie von einem Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) an einen anderen MDK erbracht werden. Dies dient auch der Wahrung des Grundsatzes der steuerlichen Neutralität (und damit dem Schutz der privaten Wettbewerber).
Mögliche Umsatzsteuerfreiheit über Kostenteilungsgemeinschaft
Nicht zu entscheiden war hier, ob ein anderes Ergebnis über eine Kostenteilungsgemeinschaft (Art. 132 Abs. 1 Buchst. f MwStSystRL, § 4 Nr. 29 UStG) erreichbar gewesen wäre. Dies hängt u.a. davon ab, wie streng man dort die Wettbewerbsprüfung vornimmt (vgl. dazu BFH, Urteil vom 23.9.2020, XI R 35/18, BFHE 271, 243, Rz. 36 ff., BFH/NV 2021, 613).
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 21.4.2021 – XI R 31/20 (XI R 34/18)