Prof. Dr. Bernd Heuermann
Leitsatz
Es wird eine Entscheidung des BVerfG darüber eingeholt, ob § 11 Abs. 2 S. 3 i.V.m. § 52 Abs. 30 S. 1 EStG i.d.F. des Gesetzes zur Umsetzung von EU-RL in nationales Steuerrecht und zur Änderung weiterer Vorschriften (RL-Umsetzungsgesetz) vom 09.12.2004 (BGBl I 2004, 3310) gegen die verfassungsrechtlichen Grundsätze des Vertrauensschutzes verstößt, soweit danach im Voraus gezahlte Erbbauzinsen auch dann auf den Zeitraum zu verteilen sind, für den sie geleistet werden, wenn sie im Jahr 2004, aber noch vor der Einbringung der Neuregelung in den Deutschen Bundestag am 27.10.2004 verbindlich vereinbart und gezahlt wurden.
Normenkette
Art. 19 Abs. 4, Art. 20 Abs. 2 S. 2, Art. 20 Abs. 3, Art. 92, 95, 97, Art. 100 Abs. 1 GG, § 80 Abs. 1 BVerfGG, § 11 Abs. 2 S. 3, § 52 Abs. 30 S. 1 EStG
Sachverhalt
K hatte im August 2004 einen Miterbbaurechtsanteil an einem Erbbaurecht verbunden mit dem Sondereigentum an einer vermieteten Eigentumswohnung erworben. Er sollte zusammen mit dem Kaufpreis 36 350 EUR zahlen, um die Erbbauzinsansprüche für die Gesamtlaufzeit des Erbbaurechts abzugelten und tat dies im September 2004.
Sein Begehren, die 36 350 EUR als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abzusetzen, hatte – wegen § 11 Abs. 2 S. 3 EStG – beim FA und FG keinen Erfolg (FG Nürnberg, Urteil vom 27.09.2007, IV 80/2006, Haufe-Index 1822645).
Entscheidung
Der BFH hat das Verfahren ausgesetzt und eine Entscheidung des BVerfG zu der Vorlagefrage (Leitsatz) eingeholt, da es für die Entscheidung des Streitfalls auf die Gültigkeit der § 11 Abs. 2 S. 2 i.V.m. § 52 Abs. 30 EStG ankommt (Art. 100 Abs. 1 GG, § 80 Abs. 1 BBVerfGG).
Hinweis
Der BFH hat das BVerfG angerufen, weil er die rückwirkende Einführung einer Regelung über die Aufteilung von in einem Einmalbetrag geleisteten Erbbauzinsen auf die Laufzeit des Erbbaurechts für verfassungswidrig hält. Dies ist sicherlich eine der ersten Entscheidungen, die die Rückwirkungsbeschlüsse des BVerfG vom 07.07.2010 umsetzt.
1. Nach § 11 Abs. 2 S. 3 EStG i.d.F. des RL-Umsetzungsgesetzes vom 09.12.2004 sind Ausgaben, die für eine Nutzungsüberlassung von mehr als fünf Jahren im Voraus geleistet werden, auf den Zeitraum zu verteilen, für den sie geleistet werden. Diese Vorschrift ist nach § 52 Abs. 30 S. 1 EStG im Hinblick auf Erbbauzinsen erstmals für Vorauszahlungen nach dem 31.12.2003 anzuwenden.
2. Nach Auffassung des BFH ist diese Neuregelung mit den verfassungsrechtlichen Grundsätzen des Vertrauensschutzes insoweit unvereinbar, als danach im Voraus gezahlte Erbbauzinsen auch dann auf den Zeitraum des Erbbaurechts zu verteilen sind, wenn sie im Jahr 2004, aber noch vor Einbringung der Neuregelung in den Deutschen Bundestag am 27.10.2004 verbindlich vereinbart und gezahlt wurden.
3. Das BVerfG hat in seinen Rückwirkungsbeschlüssen vom 07.07.2010 (BFH/PR 2010, 413 ff.) die tradierte Unterscheidung zwischen echter und unechter Rückwirkung nicht aufgegeben. Es hat auch an der sog. veranlagungszeitraumbezogenen Betrachtung festgehalten, sodass eine unechte Rückwirkung vorliegt, wenn vor Entstehen der ESt (§ 36 Abs. 1 EStG) das Gesetz geändert wird. So verhielt es sich in der Ausgangssituation hier. Das Gesetz wurde am 09.12.2004 geändert und entfaltet Rückwirkung im ganzen Jahr 2004. Das BVerfG hat aber die Anforderungen an eine zulässige unechte Rückwirkung erhöht. Grundsätzlich ist das Vertrauen des Steuerpflichtigen in die geltende Rechtslage im Zeitpunkt seiner Disposition schutzwürdig. Das Vertrauen des Bürgers ist mit den vom Gesetzgeber für die Rückwirkung angegebenen Gründen abzuwägen.
4. In dieser Abwägung liegt nun auch der Schwerpunkt der Entscheidung des BFH. Der BFH hält das Vertrauen des Steuerpflichtigen in die im August/September 2004 geltende Rechtslage für schutzwürdig. Danach sind Erbbauzinsen Nutzungsentgelt und nicht Anschaffungskosten des Rechts. Das dazu – und auch mit der neuen Rechtslage – in Widerspruch stehende BMF-Schreiben vom 10.12.1996 (BStBl I 1996, 1440) hatte der BFH in seinem Urteil vom 23.09.2003 (BStBl II 2005, 159) zurückgewiesen. Da das Gesetz damals keine Verteilung auf die Zeit der Nutzung vorsah, waren die im Voraus gezahlten Erbbauzinsen sofort als Werbungskosten abziehbar. Auch wenn die Finanzverwaltung das BFH-Urteil (durch Nichtveröffentlichen) nicht anwandte, konnte sie das Vertrauen des Steuerpflichtigen in die ständige Rechtsprechung und eindeutige Gesetzeslage nicht beeinträchtigen: Der BFH entscheidet abschließend darüber, wie Steuerrecht richtig anzuwenden ist. Dieser Kernbereich seiner Funktion in einer ausbalancierten Gewaltendifferenzierung würde infrage gestellt, könnte die Finanzverwaltung dadurch, dass sie ein ihr missliebiges Urteil nicht veröffentlicht, Vertrauen des Bürgers von vornherein nicht entstehen lassen.
5. Im Rahmen der Gesamtabwägung musste der BFH also feststellen, dass die Rückwirkung das Vertrauen des Bürgers enttäuscht. Die vom Gesetzgeber angeführten Gründe rechtfertigen es nicht, die für den Ste...