Leitsatz
1. Die Vorsteuerberichtigung nach § 15a Abs. 1 UStG setzt einen ursprünglichen Vorsteuerabzug voraus.
2. Der ursprüngliche Vorsteuerabzug kann sich in den Fällen des § 13b UStG a.F. aus der Saldierung der Umsatzsteuer nach § 13b Abs. 2 Satz 1 UStG a.F. mit dem Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UStG ergeben.
Normenkette
§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, § 15a Abs. 1 UStG, § 13b Abs. 1 und 2 UStG a.F., Art. 184, Art. 185, Art. 186 EGRL 112/2006 (= MwStSystRL)
Sachverhalt
Die Klägerin ist Gesamtrechtsnachfolgerin einer auf sie mit Ablauf des 31.12.2007 verschmolzenen KG.
Die KG hatte mit notariell beurkundetem Kaufvertrag vom 30.3.2007 mit Wirkung zum 1.6.2007 ein Grundstück erworben. Der Verkäufer optierte zu 71,41 % zur USt. Der Anteil von 71,41 % ergab sich aus der seinerzeitigen steuerpflichtigen Nutzung des Gebäudes. Nach Erwerb wurde das Gebäude von der KG zu 71,41 % steuerpflichtig vermietet.
Die Klägerin teilte dem FA 2008 mit, dass sie über das erworbene Grundstück verfüge, das auf sie im Rahmen der Anwachsung zum 1.1.2008 übergegangen sei. Der Erwerb sei zuvor im Rahmen einer steuerbaren Grundstückslieferung erfolgt. Der Verkäufer habe gemäß der Verwendung im Zeitpunkt des Verkaufs zu 71,41 % zur USt optiert.
In der von der Klägerin für die KG eingereichten USt-Erklärung 2007 war die Zeile zu den "Vorsteuerbeträgen aus Leistungen i.S.d. § 13b Abs. 1 UStG (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UStG)" nicht ausgefüllt. In der Anlage UR wurden keine "Umsätze, die unter das Grunderwerbsteuergesetz fallen (§ 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG)" angegeben. Das FA setzte die USt für 2007 erklärungsgemäß fest.
Ab Februar 2015 bis April 2015 vermietete die Klägerin das Grundstück nur noch zu 27,7 % steuerpflichtig, und seit dem 1.5.2015 ausschließlich steuerfrei.
Im USt-Bescheid 2015 und für die Folgezeit setzte das FA eine Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG fest. Einspruch und Klage zum FG hatten keinen Erfolg (FG Düsseldorf, Urteil vom 28.9.2018, 1 K 1352/17 U, Haufe-Index 12340457, EFG 2018, 2002).
Entscheidung
Der BFH bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz.
Hinweis
1. Die Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG setzt einen ursprünglichen Vorsteuerabzug voraus.
2. Ob überhaupt ein berichtigungspflichtiger Vorsteuerbetrag aufgrund eines Vorsteuerabzugs vorliegt, kann materiell-rechtlich oder entsprechend nach der Berücksichtigung eines Vorsteuerabzugs in der Steuerfestsetzung des Abzugsjahrs verfahrensrechtlich zu bestimmen sein.
Die materiell-rechtliche Betrachtung kann zu einer Doppelbelastung des Unternehmers führen. Wird ihm z.B. trotz einer steuerpflichtigen Vermietung der Vorsteuerabzug versagt, könnte ihn bei einer späteren steuerfreien Neuvermietung auch noch eine Berichtigungspflicht treffen.
Dies wirkt befremdlich und spricht für eine verfahrensrechtliche Betrachtung, nach der zulasten des Unternehmers nur ein zuvor auch gewährter Vorsteuerabzug zu berichtigen ist.
3. Im Besprechungsurteil folgt der BFH der verfahrensrechtlichen Betrachtungsweise, stellt dabei aber an eine Berücksichtigung des Vorsteuerabzugs im Steuerbescheid des Abzugsjahrs keine großen Anforderungen.
a) Ausgangspunkt ist für den BFH, dass sich das Vorliegen eines berichtigungspflichtigen Vorsteuerbetrags nach dem für das Abzugsjahr vorliegenden Steuerbescheid richtet. Dessen wesentliches Merkmal ist gemäß § 157 Abs. 1 Satz 2 AO die festgesetzte Steuer, während die dieser Steuer zugrunde liegenden Besteuerungsgrundlagen nach § 157 Abs. 2 AO nur einen nicht selbstständig anfechtbaren Teil des Steuerbescheids bilden.
b) Im Fall der Berichtigung eines Vorsteuerbetrags, für den der Abzugsberechtigte als Leistungsempfänger zugleich Steuerschuldner nach § 13b UStG ist, geht der BFH davon aus, dass sich die Berücksichtigung des Vorsteuerabzugs im Abzugsjahr auch aus einer Nullfestsetzung ergeben kann, wenn sich Steuerschuld und (vollumfängliche) Abzugsberechtigung vollständig saldieren.
c) Dies bejaht der BFH auch für den Fall, dass sich aus den im Steuerbescheid aufgeführten Besteuerungsgrundlagen weder eine Steuerschuld nach § 13b UStG noch ein Vorsteuerabzug ergibt. So ist es nach dem Besprechungsurteil jedenfalls dann, wenn der Steuerschuldner das FA über die Steuerschuld gesondert in Kenntnis gesetzt hat. Ob dies auf weitere Fallgestaltungen übertragbar ist, steht damit nicht fest.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 1.2.2022 – V R 33/18