Leitsatz
1. Nach der Neukonzeption des Verhältnisses zwischen Steuerfestsetzung und Verlustfeststellung durch das Jahressteuergesetz 2010 kann der Steuerpflichtige gegebenenfalls auch gegen die Festsetzung der Körperschaftsteuer auf 0 € klagen, wenn der Festsetzung ein aus seiner Sicht zu hoher Gesamtbetrag der Einkünfte zugrunde liegt, der zur Feststellung eines zu niedrigen Verlustvortrags führt.
2. Zu den bei ausländischen Körperschaften nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f Satz 2 EStG als gewerblich fingierten Einkünften aus Vermietung und Verpachtung oder Veräußerung inländischen Grundbesitzes gehört nicht der Ertrag aus einem gläubigerseitigen Verzicht auf die Rückzahlung eines Darlehens, mit dem die Körperschaft den Erwerb der Immobilie finanziert hatte.
Normenkette
§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f Satz 2, § 21 EStG 2009 i.d.F. des JStG 2010, § 40 Abs. 2 FGO
Sachverhalt
Es geht um eine luxemburgische Kapitalgesellschaft in der Rechtsform der Société à responsabilité limitée (S. à. r. l.), die im Inland über keine feste Geschäftseinrichtung verfügte; sie erwarb im Jahr 2007 für einen Kaufpreis von ca. 90 Mio. EUR ein im Inland belegenes Grundstück (ihr einziges Sachanlagevermögen), durch das sie Mieteinnahmen erzielte.
Zur Finanzierung des Erwerbs nahm sie mehrere Darlehen bei verbundenen Unternehmen auf, darunter eines i.H.v. ca. 8 Mio. EUR bei der B L.P. Im Februar 2011 veräußerte sie das Grundstück für ca. 72 Mio EUR. Aus dem Erlös konnte das Darlehen nicht vollständig getilgt werden. Die B L.P. verzichtete aufgrund der Verlustsituation bei der Klägerin im Dezember 2011 auf Teilbeträge der Darlehensforderung i.H.v. ca. 7 Mio. EUR und 50.000 EUR.
Die Klägerin ermittelte ihr im Inland zu versteuerndes Einkommen seit 2009 durch Betriebsvermögensvergleich. Das FA berücksichtigte die beiden Verzichtsbeträge ertragswirksam, berechnete aber für das Jahr 2011 (Streitjahr) gleichwohl noch negative Einkünfte aus Gewerbebetrieb von ./. 16.871.990 EUR. Auf dieser Grundlage setzte das FA die Körperschaftsteuer auf 0 EUR fest. Die zur Berücksichtigung des Verzichtsbetrags von 50.000 EUR erhobene Sprungklage gegen den Körperschaftsteuerbescheid hatte Erfolg (FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 12.11.2014, 12 K 12320/12, Haufe-Index 7553406, EFG 2015, 308).
Entscheidung
Der BFH wies die Revision des FA zurück.
Hinweis
1. Die Entscheidung hat sowohl verfahrensrechtlich als materiell-rechtlich erhebliche Bedeutung. So lässt der BFH eine weitere Ausnahme zum generellen Anfechtungsausschluss (fehlende sog. Beschwer, § 40 Abs. 2 FGO) bei einem sog. Nullbescheid zu, da eine solche Festsetzung eine Bindungswirkung für einen Verlustfeststellungsbescheid auslösen kann.
Darüber hinaus begrenzt der BFH den Steuerzugriff bei beschränkter Steuerpflicht wortlaut- und prinzipiengerecht (hier: Ermittlung der fiktiven Einkünfte aus Gewerbebetrieb nach Maßgabe von § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f Satz 2 EStG).
2. Die Ausführungen zur "Beschwer" (hier: mit Blick auf § 10d Abs. 4 Satz 3 EStG) entsprechen der Darlegung des BFH in dem zu § 35b Abs. 2 Satz 2 GewStG ergangenen Urteil vom 6.12.2016, I R 79/15; siehe hierzu die Kommentierung in BFH/PR 2017, 232).
3. Besteuerungstatbestand: Besteuerung bei beschränkter Steuerpflicht knüpft an das Territorialitätsprinzip ("inländische Einkünfte") an. "Originäre" gewerbliche Einkünfte werden im Streitfall allerdings nicht erzielt (keine inländische Betriebsstätte oder inländischen ständigen Vertreter).
Auch liegen keine gewerblichen Einkünfte aus VuV oder Veräußerung u.a. von inländischem unbeweglichem Vermögen vor. Für die ausländische Kapitalgesellschaft gilt insoweit § 8 Abs. 2 KStG (alle Einkünfte sind als Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu behandeln) nicht.
Aber § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f Satz 2 EStG hält eine Fiktion bereit: Es "gelten" auch die Einkünfte aus den in Satz 1 der Norm beschriebenen Tätigkeiten, die von einer Körperschaft i.S.d. § 2 Nr. 1 KStG erzielt werden, die mit einer Kapitalgesellschaft oder sonstigen juristischen Person i.S.d. § 1 Abs. 1 Nrn. 1 bis 3 KStG vergleichbar ist ("Typenvergleich"), als Einkünfte aus Gewerbebetrieb.
4. Abgrenzung des Einkünftetatbestands nicht nach Maßgabe des allgemeinen Veranlassungs-, sondern des Objektsteuerprinzips: In die Ermittlung der umqualifizierten Vermietungs- und Veräußerungseinkünfte ist die Verbindlichkeit aus dem Darlehen nicht einzubeziehen. Zwar besteht zwischen dem Darlehen und der Vermietungs- und Veräußerungstätigkeit ein wirtschaftlicher Zusammenhang. Denn die Darlehensmittel sind von der Klägerin verwendet worden, um das inländische Grundstück zu erwerben, welches sie sodann vermietet und später veräußert hat.
Jedoch kann eine Wertveränderung dieser Verbindlichkeit nicht zu Einkünften aus VuV oder zu Veräußerungseinkünften i.S.d. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG führen. Denn die Steuerbarkeit nach § 49 EStG bezieht und beschränkt sich auf die dort abschließend aufgeführten inländischen Einkunftsquellen und Tätigkeiten. Das wird durch die Gewerblichkeit...