Prof. Dr. Heinz-Jürgen Pezzer
Leitsatz
Zahlt ein Steuerpflichtiger, der einem Vermögensverwalter Vermögen zur Anlage auf dem Kapitalmarkt überlässt, ein gesondertes Entgelt für die Auswahl zwischen mehreren Gewinnstrategien des Vermögensverwalters, so ist das Entgelt den Anschaffungskosten für den Erwerb der Kapitalanlagen zuzurechnen.
Normenkette
§ 20 EStG, § 255 HGB
Sachverhalt
Der Kläger zahlte an eine GmbH, mit der er einen Fonds-Vermögensverwaltungsvertrag geschlossen hatte, ein Strategieentgelt. Gegenstand des Vertrags war die konzeptionelle, organisatorische und buchhalterische Betreuung von Vermögensanlagen des Klägers durch die GmbH auf der Grundlage einer von mehreren Gewinnstrategien, zwischen denen der Kläger wählen konnte. Der Kläger entschied sich für eine Kombination aus der Gewinnstrategie I (Investitionen zu 100 % in offene Immobilienfonds) und Gewinnstrategie III (Investitionen zu maximal 30 % in Aktienmärkte). Der Kläger zahlte den anzulegenden Betrag an eine Bank zugunsten der GmbH. Die Bank zog vertragsgemäß 3,5 % der Anlagesumme als Strategieentgelt zugunsten der GmbH ab.
Das FA lehnte es ab, das Strategieentgelt als Werbungskosten zu berücksichtigen. Das FG gab demgegenüber der Klage statt (FG Köln, Urteil vom 25.04.2007, 10 K 3240/06, Haufe-Index 1763581, EFG 2007, 1148).
Entscheidung
Auf die Revision des FA hob der BFH die Vorentscheidung auf und wies aus den Gründen der Praxishinweise die Klage ab.
Hinweis
Ein Wertpapierdepot ist üblicherweise mit Kosten verbunden. Dass die Verwaltungsgebühren für ein Depot grundsätzlich als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen abziehbar sind, ist gesichert. Der Fantasie der Anlageberatungsfirmen bleibt es überlassen, neue Formen von zusätzlichen Gebühren zu erfinden. Diese lassen sich gegenüber dem Kunden zweifellos leichter durchsetzen, wenn sie als Werbungskosten abziehbar sind.
Die vertragliche Bezeichnung der Gebühren ist für die steuerrechtliche Beurteilung nicht maßgeblich, sondern ihr wirtschaftlicher Gehalt. Entscheidend ist der Zusammenhang mit der Anschaffung einer bestimmten Kapitalanlage. Dann handelt es sich um Anschaffungskosten.
Manche Kosten verausgabt der Anleger schon vor der Anschaffung des einzelnen Wertpapiers. Wenn sie sich einer einzelnen Kapitalanlage zuordnen lassen und im Zusammenhang mit einer ins Auge gefassten Investition getätigt werden, gehören sie ebenfalls zu den Anschaffungskosten. Entschieden ist dies bereits etwa für Planungskosten, Gutachterkosten, Beratungskosten und Vermittlungsgebühren, die im Zusammenhang mit einer konkret geplanten Kapitalanlage stehen.
Das hier zu besprechende Urteil befasst sich mit einem neuen Typ zusätzlicher Gebühren, einem "Strategieentgelt", das der Anleger in Form eines Abzugs von der Anlagesumme zu entrichten hat. Damit wird die Auswahl zwischen verschiedenen Anlagemöglichkeiten entgolten. Die Tatsache, dass im Zeitpunkt der Zahlung des Strategieentgelts konzeptionell bedingt die zu beschaffenden Kapitalanlagen noch nicht konkretisiert waren – weil deren Auswahl von der Wahl der Strategie abhängig war –, steht der Annahme eines unmittelbaren Zusammenhangs zwischen Entgelt und Erwerb der Kapitalanlagen nicht entgegen. Denn ein solcher Zusammenhang ist schon dann zu bejahen, wenn die Aufwendungen durch eine grundsätzlich gefasste Erwerbsentscheidung veranlasst sind. Ist danach der Aufwand – wie hier das Strategieentgelt – auf die erworbenen oder noch zu erwerbenden Kapitalanlagen bezogen, handelt es sich um Anschaffungskosten i.S.d. § 255 HGB. Nur wenn der Aufwand ohne Bezug zu den zu beschaffenden Kapitalanlagen seiner Art nach die allgemeine vermögensverwaltende Tätigkeit abgelten soll, ist er den sofort abziehbaren Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen zuzurechnen
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 28.10.2009 – VIII R 22/07