Leitsatz
1. Entgehen der Gesellschaft Gewinne, weil ein Mitunternehmer die der Gesellschaft zustehenden Einnahmen (hier den Ausgleich der überhöhten Betriebsausgaben) auf ein eigenes Konto leitet, so handelt es sich bei den Einnahmen um Sonderbetriebseinnahmen des ungetreuen Mitunternehmers. Der hiermit korrespondierende Ersatzanspruch der Gesellschaft ist nicht zu aktivieren, wenn die Gesellschaft auf den Anspruch verzichtet, wenn er nicht unbestritten oder nicht werthaltig ist (Bestätigung der Rechtsprechung).
2. Nach der Lebenserfahrung ist davon auszugehen, dass in solchen Fällen der ungetreue Mitunternehmer das Bestehen des Anspruchs solange wie möglich bestreiten wird.
3. Der ungetreue Gesellschafter kann in seiner Sonderbilanz eine Rückstellung wegen der zu erwartenden Inanspruchnahme durch die Gesellschaft oder die geschädigten Gesellschafter jedenfalls solange nicht bilden, wie die geschädigten Gesellschafter von der Veruntreuung keine Kenntnis haben.
Normenkette
§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG, § 76 Abs. 1 FGO
Sachverhalt
An einer doppelstöckigen KG waren Vater, Sohn und ein Dritter beteiligt. Die KG bezog Waren von verschiedenen Herstellern zu überhöhten Preisen. Aus den Überpreisen erhielten Sohn und Dritter nach den Feststellungen der Steuerfahndung verdeckte Rückzahlungen. Das FA erließ entsprechend erhöhte Gewinnfeststellungsbescheide und rechnete die Mehrgewinne allen Gesellschaftern zu. Während des Verfahrens über die nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klagen verstarb der Vater, der seinen Sohn aufgrund der Erkenntnisse der Steuerfahndung enterbt und stattdessen seinen Enkel zum Erben bestimmt hatte.
Nach Ergehen des klageabweisenden Urteils legte der Dritte in einem Schadenersatzverfahren ein Geständnis ab und erklärte, auf Weisung des Sohnes tätig geworden zu sein. Der Vater habe von allem nichts gewusst.
Entscheidung
Der BFH hob das FG-Urteil wegen eines Verfahrensfehlers auf. Das FG hätte zu Unrecht die Vernehmung des Sohnes abgelehnt.
Der Verfahrensfehler sei nicht deshalb unbeachtlich, weil aus anderen Gründen zutreffend entschieden worden sei. Insbesondere sei die Gewinnverteilung nicht zweifelsfrei zutreffend erfolgt. Ausnahmsweise sei ein Mehrgewinn nicht der Gesamthand zuzurechnen. Dafür habe das FG zu hohe Anforderungen gestellt.
Im zweiten Rechtsgang müsse das FG feststellen, ob Sohn und Dritter tatsächlich Einnahmen in ihren eigenen Vermögensbereich geleitet hätten und ob zum Bilanzstichtag bereits ein Ersatzanspruch hätte berücksichtigt werden können.
Hinweis
1. Dem Urteil liegt ein komplexer Sachverhalt zugrunde, dessen Lösung viele Rechts- und Verfahrensfragen berührt. Wichtig waren dem BFH allerdings vor allem die Fragen, die im Zusammenhang mit der Verteilung eines Gewinns stehen, den ein Personengesellschafter heimlich für sich vereinnahmt hat.
2. Grundsätzlich wird jeder Gewinn, der der Gesellschaft zusteht, auch dieser zugerechnet. Das bedeutet, dass der nach Aufdeckung einer Steuerverkürzung festzustellende Mehrgewinn allen Mitunternehmern nach dem allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssel zuzurechnen ist.
Anders ist es jedoch, wenn ein Gesellschafter zu seinen Gunsten an der Gesellschaft vorbei gewirtschaftet hat. In einem solchen Fall ist nach dem Besprechungsurteil grundsätzlich von Sonderbetriebseinnahmen des betreffenden Gesellschafters auszugehen, sodass den anderen Gesellschaftern keine Teile des betreffenden Gewinns zugerechnet werden. Eine Ausnahme davon gilt nur, wenn die Gesellschaft selbst von den Vorgängen weiß, einen Ersatzanspruch gegen den Gesellschafter hat und dieser Anspruch gegenüber dem Gesellschafter auch erfolgreich geltend gemacht werden kann. Hierzu muss er unbestritten und werthaltig sein. Diese Voraussetzungen dürften nur selten vorliegen, denn der Gesellschafter wird den Anspruch so lange wie möglich bestreiten.
3. Werden die heimlich erzielten Einnahmen nach diesen Grundsätzen dem Gesellschafter zugerechnet, würden die betreffenden Sonderbetriebseinnahmen allerdings zu keinem Gewinnausweis führen, wenn der betreffende Gesellschafter in seiner Sonderbilanz eine Rückstellung für die zu befürchtenden Schadenersatzansprüche der Gesellschaft bilden könnte. Diese Rückstellung versagt der BFH jedoch jedenfalls für die Zeit, in der die Gesellschaft von den Machenschaften des Gesellschafters keine Kenntnis hat. Es fehlt dann an der für eine Rückstellung immer erforderlichen Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 22.6.2006, IV R 56/04