Prof. Dr. Andreas Herlinghaus
Leitsatz
Eine in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union registrierte Steuerberatungsgesellschaft Ltd. ist weder nach § 3a StBerG noch aufgrund der Dienstleistungsfreiheit zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen i.S.d. § 80 Abs. 5 AO befugt, wenn sie nicht über eine Berufshaftpflichtversicherung oder einen anderen individuellen oder kollektiven Schutz in Bezug auf die Berufshaftpflicht verfügt.
Normenkette
§ 80 Abs. 5 AO, § 3a StBerG, Art. 49, Art. 50, jetzt AEUV Art. 56, Art. 57 EG, Art. 5 Abs. 3 EGRL 36/2005
Sachverhalt
Die Klägerin ist eine in Großbritannien registrierte Wirtschafts- und Steuerberatungsgesellschaft Ltd. mit Niederlassungen in Belgien und den Niederlanden. Sie ist nicht als Steuerberatungsgesellschaft nach §§ 32 Abs. 3, 49 ff. StBerG anerkannt und verfügt nicht über eine Berufshaftpflichtversicherung. Für die Klägerin handelt als "director" A, dessen Bestellung als Steuerberater in der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 2000 wegen Vermögensverfalls rechtskräftig widerrufen worden war.
Das FA erließ gegen die Z Ltd. (Ltd.) USt-Vorauszahlungsbescheide für die Monate Juni 2007 bis Juni 2008. Der dagegen erhobenen Sprungklage stimmte das FA nicht zu, woraufhin die Klägerin für die Ltd. Untätigkeitsklage wegen der USt-Vorauszahlungsbescheide für die Monate Juni 2007 bis Juni 2008 erhob. Gleichzeitig beantragte sie beim FA Aussetzung der Vollziehung (AdV). Das FA setzte bis zur Entscheidung über den Einspruch die Vollziehung der USt-Vorauszahlungsbescheide für die Monate Juni 2007 bis März 2008 unter dem Vorbehalt des jederzeitigen Widerrufs aus.
Unter Bezugnahme auf den gestellten AdV-Antrag wies das FA die Klägerin als Bevollmächtigte der Ltd. gem. § 80 Abs. 5 AO zurück. Die Zurückweisungsverfügung hat folgenden Wortlaut:
„... als ... leisten Sie für die o.g. Ltd. geschäftsmäßig Hilfe in Steuersachen in der Form, dass Sie in o.a. Schreiben einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung in der Klagesache gegen die USt-Vorauszahlungsbescheide 06/2007 bis 06/2008 stellen, ohne dazu befugt zu sein (§ 5 StBerG).
Begründung: ...
Aus vorgenannten Gründen weise ich die ... als Bevollmächtigten Ihres Auftraggebers zurück (§ 80 Abs. 5 AO). Alle Verfahrenshandlungen, die Sie trotz dieser Zurückweisung künftig für Ihren Auftraggeber vornehmen, bleiben ohne steuerliche Wirkung. Die Ltd. als Ihren Auftraggeber habe ich unterrichtet (Hinweis auf § 80 Abs. 8 AO).”
Die dagegen erhobene Sprungklage hatte Erfolg. Das FG (Niedersächsisches FG vom 26.11.2009, 6 K 530/08, Haufe-Index 2300205, EFG 2010, 541) legte die Verfügung des FA dahin aus, dass die Klägerin hinsichtlich aller weiteren Verfahrenshandlungen für die Ltd. zurückgewiesen werde. Der Bescheid sei insoweit nichtig, als das FA die Klägerin für das AdV-Verfahren zurückgewiesen habe, weil das Aussetzungsverfahren zum Zeitpunkt der Zurückweisung bereits erledigt gewesen sei. Soweit der Bescheid darüber hinausgehe, sei er rechtswidrig. Denn § 80 Abs. 5 AO sehe keine derart weite Rechtsfolge vor. Die Vorschrift wirke nur für das jeweilige konkrete Verfahren. Dies ergebe sich aus der systematischen Stellung dieser Vorschrift innerhalb der AO.
Entscheidung
Das sah jetzt der BFH anders und hob auf die Revision des FA die Vorentscheidung auf und wies die Klage ab.
Hinweis
1. Die spannende Frage, ob ein Bevollmächtigter nach § 80 Abs. 5 AOfür alle zukünftigen Verfahren zurückgewiesen werden kann, hat der BFH zunächst offenlassen können. Denn aus seiner Sicht war die konkrete Zurückweisungsverfügung so auszulegen, dass sie sich nur auf das noch nicht abgeschlossene AdV-Verfahren und also gerade nicht auf zukünftige Verfahren der klagenden Ltd. bezog. Zwar war der Verfügungswortlaut insoweit unklar, als "alle Verfahrenshandlungen, die künftig für den Auftraggeber vorgenommen werden", angesprochen waren. Allerdings enthielt die Verfügung einerseits einen konkreten Bezug auf das AdV-Verfahren und gab andererseits im Wesentlichen den auf das aktuelle Verfahren bezogenen Gesetzestext des § 80 Abs. 8 S. 2 AO wieder. Es lag daher nahe, dass der BFH die noch vom FG breit diskutierte Frage "umschiffte", auch wenn (mit dem FG) nicht wenig dafür spricht, dass eine generelle Zurückweisung für alle zukünftigen Verfahren nicht von § 80 Abs. 5 AO gedeckt sein könnte.
2. Die materiellen Voraussetzungen des § 80 Abs. 5 AO lagen vor, weil die Klägerin, die sich zwar grundsätzlich auf § 3a Abs. 1 S. 1 StBerG berufen konnte, die nach dessen S. 3 erforderliche Berufshaftpflichtversicherung aber nicht unterhielt. Insoweit ist die geschäftsmäßige Hilfeleistung in Steuersachen nach § 3a Abs. 1 StBerG nur zulässig, wenn die Person vor der ersten Leistungserbringung im Inland der zuständigen Stelle eine entsprechende schriftliche Meldung über die Einzelheiten zur Berufshaftpflichtversicherung macht (§ 3a Abs. 2 S. 1 StBerG).
3. Unionsrechtliche Bedenken konnte die Klägerin dagegen nicht geltend machen. Zwar konnte sie sich auf die Dienstleistungsfreiheit (Art. 49, 50 EG; jetzt Art....