Leitsatz
1. Die Zurückweisung eines Bevollmächtigten wegen unbefugter Hilfeleistung in Kindergeldsachen wird nicht rückwirkend rechtswidrig, wenn der Bevollmächtigte später als Rechtsanwalt zugelassen wird.
2. Die Erlaubnis eines Bevollmächtigten zur Erbringung von Rechtsdienstleistungen auf dem Gebiet eines ausländischen Rechts sowie des Rechts der EU umfasst nicht die Vertretung von Unionsbürgern im Verfahren vor der Familienkasse wegen Kindergeld.
3. Verfahren betreffend Kindergeld gehören zu Steuersachen i.S. des § 80 Abs. 5 AO a.F.
Normenkette
§ 80 Abs. 5 AO a.F., § 10 RDG, § 3, § 3a, § 4 StBerG, Art. 49, Art. 56 AEUV, Art. 12 GG
Sachverhalt
Der Kläger war ein in Deutschland und Polen niedergelassener Rechtsbeistand. Im Jahr 2011 erhielt er nach dem RDG die Erlaubnis, Rechtsdienstleistungen auf dem Gebiet des polnischen Rechts sowie auf dem Gebiet des Rechts der EU bzw. des EWR zu erbringen.
Im Jahr 2013 zeigte der Kläger bei der Familienkasse die Vertretung eines polnischen, nach Deutschland entsandten Arbeitnehmers an. Mit Bescheid aus 2015 wies die Familienkasse den Kläger nach § 80 Abs. 5 AO a.F. als Bevollmächtigten zurück. Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Die Erlaubnis des Klägers zur Rechtsberatung – so die Vorinstanz (Sächsisches Finanzgericht, Urteil vom 15.4.2015, 2 K 357/15, Haufe-Index 9213291) – erfasse nicht das zum deutschen Steuerrecht zählende Kindergeld.
Dagegen wandte sich der Kläger, der inzwischen seit 2016 in Deutschland als Rechtsanwalt zugelassen war, mit dem Hinweis, der Schwerpunkt des Kindergeldverfahrens liege nicht im Steuerrecht, sondern im Sozialrecht der EU. Durch die Zurückweisung werde er in seinem Recht auf freie Berufsausübung verletzt. Die Zurückweisung verstoße zudem gegen europäisches Recht in Gestalt der Dienstleistungsfreiheit.
Entscheidung
Der BFH ist der Auffassung des Klägers nicht gefolgt, sondern hat die Revision als unbegründet zurückgewiesen.
Zwar besteht für die Revision trotz der Tatsache, dass der Kläger zwischenzeitlich als Rechtsanwalt zugelassen worden ist, ein hinreichendes Rechtsschutzbedürfnis. Wenn der Bevollmächtigte rechtmäßig nach § 80 Abs. 5 AO a. F. zurückgewiesen wurde, bleiben die von ihm bis zu seiner Zulassung vorgenommenen Rechtshandlungen unwirksam. Damit ist der Kläger durch den Zurückweisungsbescheid weiterhin beschwert.
Die Zurückweisung des Klägers war aber rechtmäßig. Verfahren zum Kindergeld gehören entgegen der Rechtsansicht des Klägers zu den Steuersachen i.S.d. § 80 Abs. 5 AO a. F. In Steuersachen sind gemäß § 3 StBerG nur qualifizierte Personen oder Gesellschaften zur unbeschränkten Hilfeleistung befugt. Gemäß § 3a Abs. 1 Satz 1 StBerG sind Personen, die in einem anderen EU/EWR-Staat niedergelassen sind, zur vorübergehenden Hilfeleistung in Steuersachen in Deutschland befugt. Gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 RDG dürfen Personen bzw. Gesellschaften aufgrund besonderer Sachkunde Rechtsdienstleistungen in einem ausländischen Recht erbringen. Damit war die Zurückweisung des Klägers gerechtfertigt, da auf ihn keiner der genannten Tatbestände zutraf. Der Kläger gehörte im Zeitpunkt der Zurückweisung keiner Personengruppe des § 3 StBerG an, die Anwendung des § 3a StBerG scheiterte an der Niederlassung in Deutschland. Insbesondere aus dem RDG ergab sich keine Berechtigung des Klägers. Denn das Kindergeldrecht ist im Einkommensteuergesetz geregelt und damit Teil des deutschen Steuerrechts. Dabei ist unerheblich, ob diese Regelungen durch das Unionsrecht eine besondere Ausgestaltung erfahren.
Auch eine Verletzung des Grundrechts aus Art. 12 GG auf freie Berufsausübung liegt nicht vor. Die Regelungen zur Zulassung von Bevollmächtigten und die Möglichkeit der Zurückweisung nach § 80 Abs. 5 AO a.F. sind durch das Interesse der Allgemeinheit an einer funktionierenden Steuerrechtspflege gerechtfertigt. Ein Verstoß gegen Unionsrecht liegt nicht vor. Der Kläger war in Deutschland niedergelassen und konnte sich damit zwar auf die Niederlassungsfreiheit berufen, unterlag jedoch gleichzeitig den nationalen Beschränkungen über die Zulassung zur Hilfeleistung in Steuersachen. Die Vorschriften über die Dienstleistungen sind gegenüber dem Niederlassungsrecht subsidiär.
Hinweis
Der Kläger war als nicht qualifizierter Bevollmächtigter in einem Kindergeldverfahren zurückgewiesen worden; später erlangte er die Zulassung als Rechtsanwalt.
Der Besprechungsfall weist drei Schwerpunkte im Zusammenhang mit der Zurückweisung auf. Zunächst geht es um die Fortwirkung der mit der Zurückweisung verbundenen Beschwer, wenn der Zurückgewiesene zwischenzeitlich die Berufsqualifikation erlangt hat. Hier wirkt die Beschwer weiter, da die Rechtshandlungen des Zurückgewiesenen nicht rückwirkend "geheilt" werden. Zum zweiten war fraglich, ob eine Befugnis aus dem Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG), die der Kläger besaß, dazu hinreichend war, Beratungsleistungen auch für Kindergeld zu erbringen; der Kläger hatte diesbezüglich auf zahlreiche europarechtliche Bezüge hingewiesen. De...