Leitsatz
Wird der Anteil der Investitionszinsen am gesamten Zinsaufwand erst nachträglich bekannt, berechtigt dies zur Änderung einer bestandskräftigen Steuerfestsetzung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO. Wurden die Schuldzinsen im Jahresabschluss nicht erläutert, überwiegt die Mitwirkungspflichtverletzung des Steuerpflichtigen die Ermittlungspflichtverletzung der Behörde.
Sachverhalt
Der Kläger reichte für die Streitjahre Erklärungen über die gesonderte Gewinnfeststellung nebst Bilanzen und GuV-Rechnungen bei. Die Bilanzen wiesen in den Streitjahren negative Kapitalkonten aus, die erkennbar aus Überentnahmen resultierten. Die Zinsaufwendungen wurden nicht nach § 4 Abs. 4a EStG gekürzt. Im Rahmen einer nachfolgenden Betriebsprüfung wurden Hinzurechnungsbeträge nach § 4 Abs. 4a EStG ermittelt. Das Finanzamt änderte sodann die bestandskräftigen Gewinnfeststellungsbescheide nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO. Der Einspruch des Klägers blieb ohne Erfolg.
Entscheidung
Auch die Klage hatte keinen Erfolg. Nach Ansicht des erkennenden Senats durfte das Finanzamt die angegriffenen Änderungsbescheide erlassen. Bei der Höhe der Investitionszinsen handelt es sich um eine Tatsache i. S. des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO, die im Streitfall nachträglich bekannt geworden ist. Der Kläger hat durch die unterlassene Kürzung nach § 4 Abs. 4a EStG gegen seine Mitwirkungspflicht verstoßen und das Finanzamt hat seine Amtsermittlungspflicht durch die unterlassene Hinterfragung der Zinsaufwendungen verletzt. Dennoch war das Finanzamt nicht gehindert, die Bescheide zu ändern. Der Verstoß gegen die Amtsermittlungspflicht überwiegt vorliegend nicht den Verstoß des Klägers gegen seine Mitwirkungspflicht. Die Nichtanwendung des § 4 Abs. 4a EStG durch den Kläger ist aus den eingereichten Unterlagen nicht auf Anhieb zu erkennen gewesen. Dem Finanzamt fällt damit kein deutlich größerer Pflichtverstoß zur Last als dem Kläger.
Hinweis
Eine verbösernde Änderung scheidet aus, wenn sie auf Tatsachen gründet, die der Finanzbehörde infolge Verletzung der amtlichen Ermittlungspflicht trotz ordnungsgemäßer Mitwirkung des Steuerpflichtigen zunächst unbekannt geblieben sind. Liegen sowohl eine Verletzung der Ermittlungspflicht als auch eine Verletzung der Mitwirkungspflicht vor, sind die beiderseitigen Pflichtverstöße gegeneinander abzuwägen. In einem solchen Fall trifft in der Regel die Verantwortung den Steuerpflichtigen mit der Folge, dass der Steuerbescheid geändert werden kann, wenn nicht der Verstoß des Finanzamtes gegen seine Ermittlungspflicht den Verstoß des Steuerpflichtigen gegen seine Mitwirkungspflicht deutlich überwiegt.
Link zur Entscheidung
FG des Saarlandes, Urteil vom 03.12.2008, 1 K 2374/04