1 Arbeitsrecht
1.1 Zeiterfassung: Betriebsrat kann Regelung erzwingen
LAG München, Beschluss v. 22.5.2023, 4 TaBV 24/23
Der Beschluss ist noch nicht rechtskräftig.
Der Betriebsrat ist beim Thema Arbeitszeit zu beteiligen. In seiner Grundsatzentscheidung vom 13.9.2022 sprach das BAG dem Betriebsrat ein Initiativrecht zur Einführung eines Zeiterfassungssystems ab - mit der überraschenden Begründung, dass Arbeitgeber bereits jetzt kraft Gesetzes verpflichtet seien, die Arbeitszeit ihrer Mitarbeitenden zu erfassen.
Geht es jedoch nicht um die Frage, ob der Arbeitgeber ein Zeiterfassungssystem einführt, sondern darum, wie die Zeiterfassung im Unternehmen am besten ausgestaltet wird, hat der Betriebsrat sehr wohl ein Mitbestimmungsrecht. Darauf hatte das BAG bereits in seinem Beschluss hingewiesen. Dementsprechend entschied das LAG München nun, dass der Betriebsrat durch seine Initiative eine Regelung darüber erzwingen kann, wie die Arbeitszeiten erfasst werden sollen. Der Arbeitgeber könne Verhandlungen nicht etwa mit der Begründung ablehnen, auf die ausstehende gesetzliche Regelung warten zu wollen.
2 GmbH-Gesellschafter/-Geschäftsführer
2.1 Gewerbeverlust: Einbringung in eine Mitunternehmerschaft
FG Münster, Urteil v. 21.3.2023, 11 K 2517/21 G
Das FG hat die Revision zugelassen, sodass der BFH darüber entscheiden könnte, ob und wie im Fall eines unterjährigen (teilweisen) Wegfalls der Unternehmeridentität bei der Ermittlung des Gewerbeertrags der Organträgerin auf der 1. Stufe die Rechtsfolgen des § 10a GewStG Anwendung finden. Aktuell ist nicht ersichtlich, ob die Klägerin in Revision gegangen ist.
2.2 Zur Kürzung des Gewerbeertrags einer Komplementär-GmbH
BFH, Urteil v. 20.4.2023, III R 53/20
Die GmbH hatte eingewandt, die Nutzung des Absicherungspotentials von Beteiligungsvermögen für fremde Schuld stelle eine Nutzung des Sicherungspotentials eigenen Grundbesitzes dar, wenn es sich um Beteiligungen an rein grundbesitzverwaltenden Personengesellschaften (hier: die zwei Vermietungs-GbR) handele. Abgesehen davon, dass solche Gesellschaften neben Grundbesitz und Kapitalvermögen auch über mit in die Haftungsmasse fallende andere Vermögensgegenstände (Firmenfahrzeug, Büroausstattung) verfügen, scheidet eine Gleichstellung der Nutzung des Absicherungspotentials von solchem Beteiligungsvermögen mit der Nutzung des Sicherungspotentials des eigenen Grundbesitzes aus. Denn das gesellschaftsrechtlich gebundene Grund- und Kapitalvermögen ist nicht unmittelbar verwertbar. Gläubiger eines Gesellschafters können auf diese anteilig zuzurechnenden Einzelwirtschaftsgüter des Gesellschaftsvermögens nicht zugreifen. Eine Nutzung des Absicherungspotentials von "Grundbesitz" liegt somit nicht vor, wenn Beteiligungen als Haftungsmasse zur Verfügung gestellt werden.
Dass die GmbH für die Haftungsübernahme nur eine vergleichsweise geringe Vergütung erhalten hat, ist unerheblich. Vom Ausschließlichkeitsgebot sind auch in Bagatellfällen keine Ausnahmen geboten.
3 Kapitalanlage & Versicherung
3.1 Wildunfall muss glaubhaft gemacht werden
LG Koblenz, Urteil v. 31.5.2023, 10 O 227/22
3.2 Zur Anwendung des § 15b EStG im Zusammenhang mit einem Erwerb fremdfinanzierter Inhaberschuldverschreibungen
BFH, Urteil v. 16.3.2023, VIII R 10/19
Die Entscheidung setzt die Grundsätze des Urteils v. 17.1.2017, VIII R 7/13, BStBl 2017 II S. 700, fort. Bei der Gesamtbetrachtung, ob die Anpassung eines vorgefertigten Konzepts über nur formale und unwesentliche Änderungen hinaus geht, vertritt der BFH eine großzügigere Auffassung als das FG. In der Gründung der KG anstatt der von E vorgesehenen Beteiligung über ein Treuhandverhältnis und in der eigenständigen Vornahme der Geschäfte ohne Überlassung an Dritte sieht der BFH wesentliche Anhaltspunkte dafür, dass die Beteiligten nicht lediglich auf eine fertige Investition zugegriffen, sondern aufgrund eigener Initiative eine individuell angepasste Investition verwirklicht haben.
Die Berücksichtigung der Verluste aus Kapitalvermögen der KG bei den Einkünften aus VuV erklärt sich aus der Rechtslage vor Einführung der Abgeltungsteuer. Nach der neuen Rechtslage (§ 20 Abs. 6 EStG) können Verluste aus Kapitalvermögen nur mit Gewinnen aus Kapitalvermögen nach speziellen Verrechnungsregeln berücksichtigt werden.
4 Land- und Forstwirtschaft
4.1 Einkünfte aus außerordentlichen Holznutzungen sind gesondert festzustellen
BFH, Urteil v. 9.5.2023, VI R 12/21
Für das Verfahren der gesonderten und einheitlichen Gewinnfeststellung nach § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO hat der BFH bereits entschieden, dass in diesem Verfahren mit verbindlicher Wirkung für alle Beteiligten festgestellt werden muss, ob die Voraussetzungen für die Gewährung der Steuervergünstigung des § 34b EStG sämtlich erfüllt sind (BFH, Urteil v. 25.8.1960, IV 262/59 S, BStBl 1960 III S. 486). Für das Verfahren der gesonderten Gewinnfeststellung gilt nach § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b AO nichts anderes. Das gesonderte Feststellungsverfahren basiert darauf, dass es dem Feststellungs-FA besser möglich ist als dem Wohnsitz-FA, den Gewinn zu ermitteln.
5 Lohn & Gehalt
5.1 Gewinne aus Online-Pokerspiel können steuerpflichtig sein
BFH, Urteil v. 22.2.2023, X R 8/21
X lebte im Streitjahr noch im elterlichen Haushalt und bewohnte dort weiterhin sein "Kinderzimmer". Dieser Raum in der elterlichen Wohnung mit dem dortigen Computer stellt sowohl eine feste Geschäftseinrichtung als auch die Stätte der Geschäftsleitung dar. Da X parallel zu seiner Spieltätigkeit das Universitätsstudium an seinem Wohnort absolvierte, ist für eine nicht im Inland ausgeübte Tätigkeit nich...