3.1 Kein Widerruf der Stimmabgabe nach Zugang bei Gesellschafterbeschluss im schriftlichem Umlaufverfahren
OLG München, Urteil v. 5.4.2023, 7 U 6538/20
Aus Sicht der Gesellschaft schafft das Urteil des OLG München zu begrüßende Klarheit. Mit Zugang der abgegebenen Stimme im schriftlichen Beschlussverfahren ist eine Änderung der Stimme grundsätzlich nicht mehr möglich.
Möchte ein Gesellschafter nach der Stimmabgabe seine Stimme ändern, so ist schnelles Handeln erforderlich. Geht die Widerrufserklärung dem Erklärungsempfänger vor der Stimmerklärung zu oder fällt sie mit dem Zugang der Stimmerklärung zusammen, kann die Stimme noch geändert werden. Folgende Anwendungsfälle sind praktisch relevant:
Umlaufverfahren und Stimmabgabe per Post: Bei postalisch eingereichter Stimme, kann diese u. U. per E-Mail oder durch einen rechtzeitigen Anruf widerrufen werden.
Umlaufverfahren und Nutzung elektronischer Fernkommunikationsmittel (z. B. E-Mail, SMS, Instant-Messaging, Chats): Wurde die Stimme über ein elektronisches Fernkommunikationsmittel eingereicht, kann der Zugang der Stimme unmittelbar nach dem Versand erwartet werden. Ein Widerruf könnte dann nur durch sofortige Mitteilung im selben Augenblick erfolgen. Dies wird jedoch praktisch kaum durchführbar sein.
Virtuelle und hybride Gesellschafterversammlung: Wird eine Gesellschafterversammlung virtuell (z. B. über eine Videokonferenz) oder teilweise in Präsenz, teilweise online gehalten, so ist nach Stimmabgabe durch Handzeichen oder Zuruf kein Widerruf möglich. In solchen Fällen wird die abgegebene Stimme unmittelbar vom Versammlungsleiter entgegengenommen und registriert. In diesem Zeitpunkt ist sie zugegangen.
Haben Gesellschafter versehentlich falsch abgestimmt oder wollen ihre Stimmabgabe etwa aufgrund Irrtums rückgängig machen und ist ihre Stimmerklärung bereits zugegangen, so bleibt ihnen nur die Anfechtung ihrer Erklärung nach den allgemeinen Regeln oder die Möglichkeit, auf eine erneute Abstimmung hinzuwirken.