7.1 Handelt es sich bei Wohnungsüberlassung bei Trennung der Eheleute um begünstigten Unterhalt?
BFH, Urteil v. 29.6.2022, X R 33/20
Der bestandskräftige ESt-Bescheid des A wäre nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO zu ändern, sollten materiell-rechtlich höhere Unterhaltsleistungen in Ansatz zu bringen sein. Der von A in 2018 gestellte Antrag auf einen erweiterten Abzug von Unterhaltsleistungen stellt in Verbindung mit der von der B vor dem Familiengericht abgegebenen (ebenfalls erweiterten) Zustimmung ein rückwirkendes Ereignis dar.
Wird die Wohnung auf Grundlage einer Unterhaltsvereinbarung an den unterhaltsberechtigten Ehegatten überlassen, ist geklärt, dass der unterhaltsverpflichtete Ehegatte mangels eines Entgelts keine Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt. Andererseits stellt die entgeltliche (auf einem Mietvertrag beruhende) Überlassung an den geschiedenen oder dauernd getrennt lebenden Ehegatten keinen Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten dar und kann somit zu Einkünften aus Vermietung und Verpachtung führen, selbst wenn die Miete mit dem geschuldeten Barunterhalt verrechnet wird. Der sachliche Anwendungsbereich des § 10 Abs. 1a Nr. 1 EStG ist nicht eröffnet, soweit die Nutzungsüberlassung Gegenstand eines entgeltlichen Rechtsverhältnisses ist.
7.2 Kindergeld: Was passiert bei Terminversäumnis bei der Agentur für Arbeit?
FG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 13.7.2022, 2 K 2067/20
Der Wegfall der Wirkung einer Meldung als Arbeitsuchender i. S v. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG setzt nicht die wirksame Bekanntgabe einer Einstellungsverfügung voraus. Fehlt es an einer wirksam bekanntgegebenen Einstellungsverfügung, hängt der Fortbestand der Meldung als Arbeitsuchender davon ab, ob das arbeitsuchende Kind eine Pflichtverletzung begangen hat, welche die Arbeitsagentur zur Einstellung der Vermittlung berechtigt. Die Verletzung der vom Arbeitsuchenden zu beachtenden allgemeinen Meldepflicht berechtigt jedoch nicht ohne Weiteres zur Einstellung der Vermittlung.
7.3 Negative Einkünfte der unterhaltenen Person mindern nicht BAföG-Zuschüsse
BFH, Urteil v. 8.6.2022, VI R 45/20
Der Bezug von BAföG ist steuerfrei, da es sich bei diesem Zuschuss um eine Unterstützung zur Finanzierung des Lebensunterhalts während der Ausbildung handelt und nicht um lohnähnliche Bezüge. Für Studentinnen und Studenten bedeutet dies, dass der erhaltene Betrag nicht in der Einkommensteuererklärung aufgeführt werden muss. Ebenso wenig können sie allerdings auch die nach dem Studium fällige Rückzahlung als Werbungskosten oder außergewöhnliche Belastung geltend machen. Dies ergibt sich daraus, dass nur Zinszahlungen auf Kredite sich entsprechend steuerlich auswirken. Der 50 %-ige Anteil, der vom BAföG zurückgezahlt werden muss, ist jedoch zinsfrei.
Inwiefern Kosten im Rahmen des Studiums steuerlich geltend gemacht werden können, hängt davon ab, ob es sich um ein Erst- oder Zweitstudium handelt. Während Studenten ihre Kosten im Zweitstudium vollständig ansetzen können und auch einen Verlustvortrag eintragen lassen können, sind die Ausgaben im Erststudium nur bis zu einer Höhe von 6.000 EUR als Sonderausgaben ansetzbar. Mögliche Verluste können nicht auf Folgejahre vorgetragen werden.
7.4 Wann ist eine Schenkung auf den Todesfall unwirksam?
LG Frankenthal, Urteil v. 12.10.2022, 8 O 165/22
Schenkungen auf den Todesfall sind nicht ohne Tücken. Da die Schenkung sich erst mit dem Tod des Schenkenden vollziehen soll, bewertet die Rechtsprechung Schenkungen auf den Todesfall regelmäßig als bloße Schenkungsversprechen. Solche Schenkungsversprechen bedürfen gem. § 518 BGB zu ihrer Wirksamkeit der notariellen Beurkundung.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Beklagte hat Berufung beim Pfälzischen OLG eingelegt.
7.5 Wiedereinsetzung: Was gilt bei Fehl-Adressierung einer E-Mail durch einen Boten?
FG Hamburg, Urteil v. 5.5.2022, 5 K 93/21
Nach § 110 Abs. 2 Satz 1 AO ist erforderlich, dass der Antragsteller innerhalb der Antragsfrist von einem Monat diejenigen Umstände darlegt, aus denen sich ergibt, dass ihn hinsichtlich der Versäumung der gesetzlichen Frist kein Verschulden trifft. Nach Ablauf dieser Frist können (selbstständige) Wiedereinsetzungsgründe nicht mehr nachgeschoben werden. Jedoch können unklare oder unvollständige Angaben auch nach Ablauf der Antragsfrist noch erläutert oder ergänzt werden, sofern innerhalb der Frist der Kern der Wiedereinsetzungsgründe in sich schlüssig vorgetragen ist. Das erfordert eine substantiierte, in sich schlüssige Darstellung aller entscheidungserheblichen Umstände innerhalb der Monatsfrist.
Für den Fall, dass dem Steuerpflichtigen selbst bei der Adressierung einer E-Mail ein Tippfehler unterlaufen ist, soll innerhalb der Monatsfrist vorzutragen sein, wer die E-Mail verfasst hat, ob die Klägerin (oder ein Dritter) vor Versendung die E-Mail auf korrekte Adressierung kontrolliert hat, ob bei diesem Adressierungsfehler ein Hinweis auf die Unzustellbarkeit dieser E-Mail zurückgekommen ist und ob eine Kontrolle auf den Zugang einer solchen Unzustellbarkeits-Nachricht erfolgt ist.