7.1 Ermäßigte Besteuerung einer Abfindung auch bei mehreren Teilleistungen?
BFH, Urteil v. 6.12.2021, IX R 10/21
Eine Ausnahme vom Grundsatz der Zusammenballung in einem Veranlagungszeitraum hält der BFH grundsätzlich in solchen Fällen für geboten, in denen – neben der Hauptentschädigungsleistung – in späteren Veranlagungszeiträumen aus Gründen der sozialen Fürsorge für eine gewisse Übergangszeit Entschädigungszusatzleistungen gewährt werden. Nach seinem Zweck ist § 34 Abs. 1 EStG trotz Zuflusses einer einheitlichen Abfindung in zwei verschiedenen Veranlagungszeiträumen außerdem auch dann anwendbar, wenn der Steuerpflichtige die ganz überwiegende Hauptleistung in einem Betrag und daneben nur eine geringfügige Teilleistung in einem anderen Veranlagungszeitraum erhält. Im Urteilsfall handelte es sich bei den Zahlungen im Jahr 2016 jedoch weder um eine Leistung der sozialen Fürsorge noch um eine unschädliche geringfügige Teilleistung.
Die o. g. Entscheidung wurde nachträglich zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt; sie war seit dem 19.5.2022 als NV-Entscheidung abrufbar (BFH/NV 2022 S. 717).
7.2 Gleichzeitiger Bezug von Altersversorgung und Gehalt durch GmbH-Geschäftsführer: verdeckte Gewinnausschüttung?
BFH, Urteil v. 15.3.2023, I R 41/19
Der Ansatz einer vGA lässt sich nicht unter Hinweis auf die Rechtsprechung zum sog. doppelten Fremdvergleich (vgl. z. B. BFH, Urteil v. 11.9.2013, I R 28/13, BStBl 2014 II S. 726) bereits daraus herleiten, dass ein Dritter nicht tätig geworden wäre, wenn er hierfür nur eine "Anerkennungsvergütung" (hier monatlich 1.000 EUR) erhalten hätte. Eine vGA kann nicht allein damit begründet werden, dass der Geschäftsführer nur ein unüblich niedriges (zusätzliches) Gehalt erhält. Der doppelte Fremdvergleich nimmt dem Gesellschafter nicht die Möglichkeit, gegenüber der Kapitalgesellschaft Dienstleistungen oder Nutzungsüberlassungen unter Marktwert zu erbringen.
7.3 Tätigkeit in verschiedenen Hafenbetrieben: Liegt ein weiträumiges Tätigkeitsgebiet vor?
BFH, Urteil v. 15.2.2023, VI R 4/21
X war an verschiedenen Orten innerhalb des Hafengebiets eingesetzt. Mangels dauerhafter Zuordnung zu einer betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers (eines verbundenen Unternehmens oder eines Dritten) hatte er keine erste Tätigkeitsstätte i. S. v. § 9 Abs. 4 EStG. Da er seine Tätigkeit nicht auf einer festgelegten Fläche, sondern innerhalb ortsfester Einrichtungen ausgeübt hat, liegt auch kein weitreichendes Tätigkeitsgebiet i. S. v. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 3 EStG vor. Bei den Fahrtaufwendungen des X handelt es sich daher um "normale" Fahrtkosten bei beruflicher Auswärtstätigkeit, die unbeschränkt nach Reisekostengrundsätzen in tatsächlicher Höhe (bzw. mit den Pauschalen nach dem Bundesreisekostengesetz) abziehbar sind.
Da der BFH ein weitreichendes Tätigkeitsgebiet bereits aufgrund der Tätigkeit des X in ortsfesten Einrichtungen abgelehnt hat, konnte im Streitfall die vom FG aufgeworfene Frage offenbleiben, ob der Hafen wegen seiner Größe von 7.200 ha noch als weitreichendes Tätigkeitsgebiet eingeordnet werden kann.