8.1 Besteuerung von Renten: Bundesfinanzhof entwickelt Berechnungsformel
BFH, Urteil v. 19.5.2021, X R 33/19
Mit der nunmehr vorliegenden Grundsatzentscheidung legt der BFH fest, wie bei der Berechnung einer potenziellen Doppelbesteuerung der Alterseinkünfte vorzugehen ist. Auf der Einzahlungsseite sind die den Höchstbetrag übersteigenden Beträge zu ermitteln. Auf der Auszahlungsseite ist vor allem wichtig, dass der Grundfreibetrag als größte Position nicht zu berücksichtigen ist.
Aus der Berechnungsformel des BFH ergibt sich, dass – grob abgeschätzt – sich für 4 Gruppen künftig in erhöhtem Maße die "Gefahr" ergeben kann, in den Bereich einer rechnerischen Doppelbesteuerung zu kommen. Für diese Gruppen wird der Gesetzgeber bzw. die Verwaltung tätig werden müssen, um eine Doppelbesteuerung auszuschließen:
- Ledige Kinderlose, da an sie keine Hinterbliebenenbezüge ausbezahlt werden.
- Männer, weil sie nach der Sterbetafel früher sterben als Frauen.
- Frühere Selbstständige, weil für sie kein steuerfreier Arbeitgeberanteil eingezahlt wird.
- Künftige Rentnerjahrgänge, weil der Rentenfreibetrag mit jedem Renteneintrittsjahrgang geringer und ein immer höherer Anteil der Steuer unterworfen wird.
Zu beachten ist, dass die Feststellungslast für das Vorliegen einer etwaigen verfassungswidrigen doppelten Besteuerung beim Steuerpflichtigen liegt, da er aus diesem Tatbestand die ihm günstige Rechtsfolge – Milderung der Besteuerung der Alterseinkünfte – ableitet. Zudem trägt er die Feststellungslast für die frühere steuerliche Behandlung seiner Altersvorsorgeaufwendungen. Hier dürfte es in vielen Fällen Probleme geben. Denn wer hat schon seine steuerlichen Unterlagen über einen so langen Zeitraum lückenlos aufbewahrt?
8.2 Kindergeld: Wenn die Eltern in verschiedenen EU-Staaten leben
BFH, Urteil v. 18.2.2021, III R 71/18
Der BFH hebt hervor, dass es grundsätzlich nicht Aufgabe des deutschen Gerichts ist, das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen nach ausländischem Recht zu beurteilen, wenn hierüber bereits eine Bescheinigung einer Behörde im EU-Ausland vorliegt, der nach dem Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit Bindungswirkung für die nationalen Behörden und Gerichte zukommt. Im Streitfall bestanden allerdings erhebliche Unklarheiten hinsichtlich der von der Verwaltungskommission für die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit in Polen (DOPS) ausgestellten Bescheinigung, dass V keine Familienleistungen in Polen bezog.
8.3 Klageerhebung unter falschem Namen ist nicht zulässig
BFH, Urteil v. 18.2.2021, III R 5/19
Der Wunsch, ein Klageverfahren unter einem anderen Namen zu betreiben, wird gelegentlich damit begründet, das Bekanntwerden des Namens in der Öffentlichkeit zu vermeiden. Dazu ist allerdings ein Falschnamen nicht erforderlich. Führt das FG das Verfahren bei beiderseitigem Verzicht auf mündliche Verhandlung im schriftlichen Verfahren, dringt der Name nicht nach außen. Im Übrigen kann der Beteiligte den Ausschluss der Öffentlichkeit beantragen. Auch in diesem Fall muss allerdings die Verkündung des Urteils öffentlich sein. Die Form der Bekanntgabe – Verkündung oder Zustellung – steht jedoch im Ermessen des Gerichts. Im Übrigen kann die Namensnennung im Gerichtsaushang und beim Aufruf der Sache im Interesse des Steuergeheimnisses unterbleiben.
8.4 Unterhaltsaufwendungen an Lebensgefährten sind keine außergewöhnlichen Belastungen
BFH, Urteil v. 31.3.2021, VI R 2/19
Selbst bei Annahme einer sittlichen Verpflichtung, E zu unterhalten, kommt eine Berücksichtigung der Aufwendungen des A als allgemeine außergewöhnliche Belastung nach § 33 EStG nicht in Betracht. Denn für die Fallgruppe der typischen Unterhaltsaufwendungen enthält § 33a Abs. 4 EStG eine abschließende Regelung. Typische Unterhaltsaufwendungen sind aus dem Anwendungsbereich des § 33 EStG ausgeklammert und in § 33a EStG abschließend geregelt. Eine Steuerermäßigung nach § 33 EStG kommt daneben nicht in Betracht. Nur dann, wenn durch außergewöhnliche Umstände zusätzliche, durch die Pauschalregelungen in § 33a Abs. 1 bis 3 EStG nicht abgegoltene untypische Aufwendungen, etwa Krankheitskosten, entstehen, können diese nach § 33 EStG abgezogen werden.
Auszubildende sind – von Härtefällen abgesehen – vom Bezug von Arbeitslosengeld II und Sozialhilfe ausgeschlossen. Dieser Ausschluss von Sozialleistungen beruht somit nicht auf den Unterhaltszahlungen des A. Folglich bestand für ihn keine vergleichbare Zwangslage wie im Fall einer gesetzlichen Unterhaltsverpflichtung.
8.5 Warum private Renten nicht doppelt besteuert werden
BFH, Urteil v. 19.5.2021, X R 20/19
Die Entscheidung ist eine Folgeentscheidung zu dem Grundsatzurteil v. 19.5.2021, X R 33/19. Der Bundesfinanzhof verweist hinsichtlich der Ermittlung des steuerfrei zufließenden Teils der gesetzlichen Altersrente nebst Steigerungsbeträgen aus der Höherversicherung auf die Berechnungsformel dieses Grundsatzurteils X R 33/19. Danach sind weder der Werbungskosten-Pauschbetrag noch der Grundfreibetrag und ebenso wenig der Sonderausgabenabzug für die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung sowie der Sonderausgaben-Pauschbetrag einzubeziehen (BFH, Urteil v. 19.5.2021, X R 33/19).
8.6 Zur Nachrangigkeit des Kindergeldanspruchs in Deutschland
BFH, Urteil v. 18.2.2021, III R 27/19
Das Ergebnis erscheint widersprüchlich: Wird der Leistungsanspruch – wie im vorliegenden Fall – allein durch den Wohnort ausgelöst und w...