2.1 GmbH: Wann haftet ein Geschäftsführer bei Unfähigkeit?
BFH, Beschluss v. 15.11.2022, VII R 23/19
Die objektive Pflichtwidrigkeit des Verhaltens des Geschäftsführers indiziert den haftungsbegründenden Schuldvorwurf i. S. v. § 69 Satz 1 AO. Es wäre daher Aufgabe des A gewesen, die durch die festgestellte objektive Pflichtverletzung indizierte Annahme eines grob fahrlässigen Verschuldens zu entkräften. Dies ist ihm nicht gelungen.
Der BFH wies die Rüge mangelnder Sachaufklärung (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) zurück. A hatte schriftsätzlich beim FG den Beweisantrag gestellt, C als Zeugen zu vernehmen. Dem kam das FG nicht nach, d. h. C wurde nicht geladen und vernommen. Da A (anwaltlich vertreten) dies in der mündlichen Verhandlung vor dem FG nicht gerügt hatte, hat er sein Rügerecht verloren. A hat (ausweislich des Sitzungsprotokolls) in der mündlichen Verhandlung weder die unterlassene Zeugenladung und -vernehmung gerügt noch den Beweisantrag wiederholt. Die Rüge mangelnder Sachaufklärung kann im Revisionsverfahren nur durchdringen, wenn der Verfahrensmangel vor dem FG geltend gemacht wurde. Etwas anderes kann bei einem fachkundig vertretenen Verfahrensbeteiligten (ausnahmsweise) nur dann gelten, wenn er aufgrund des Verhaltens des FG die Rüge für entbehrlich halten durfte (ständige Rechtsprechung).
2.2 "Sinnlose" Erklärung kann in einen Einspruch umgedeutet werden
FG Münster, Urteil v. 12.1.2023, 8 K 1080/21
Der BFH hat die Frage, ob eine Umdeutung "sinnloser" Verfahrenserklärungen möglich ist, bisher ausdrücklich offengelassen (BFH, Urteil v. 14.6.2016, IX R 11/15). Da das Finanzamt gegen die Entscheidung Revision eingelegt hat, Az. beim BFH VII R 7/23, ist nunmehr eine höchstrichterliche Klärung der Frage zu erwarten.
2.3 Vorliegen einer Organschaft auch bei Mehrheitsbeteiligung ohne Stimmrechtsmehrheit
BFH, Urteil v. 18.1.2023, XI R 29/22 (XI R 16/18)
Der andere USt-Senat (V. Senat) hat der Abweichung durch die vorstehende Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des V. Senats zugestimmt. Andernfalls hätte der XI. Senat die Frage dem Großen Senat des BFH vorlegen müssen (§ 11 Abs. 2, 3 FGO).
Zur Klarstellung weist der BFH darauf hin, dass sich dadurch nichts am Erfordernis der "eigenen Mehrheitsbeteiligung" ändert, so dass eine Organschaft zwischen Schwestergesellschaften ohne Einbeziehung des gemeinsamen Gesellschafters auch weiterhin nicht in Betracht kommt. Insoweit hält der BFH an der bisherigen Rechtsprechung unverändert fest.