2.1 Führen gespaltene Gewinnverwendungen zum Zufluss von Gewinnanteilen?
BFH, Urteil v. 28.9.2021, VIII R 25/18
Die Tatsache, dass Ausschüttungen an alle Gesellschafter möglich gewesen wären, genügt nicht, um den zivilrechtlich wirksamen Gesellschafterbeschlüssen die steuerliche Anerkennung zu versagen. Die partiellen Gewinnthesaurierungen dienen der Selbstfinanzierung und beruhen auf anzuerkennenden wirtschaftlichen Gründen. Es ist weder untypisch noch unangemessen, dass Gesellschafter unterschiedliche Interessen an der Ausschüttung von Gewinnen haben und die Gesellschafterversammlung demgemäß entscheidet, dass nur bestimmte Gesellschafter Ausschüttungen erhalten, während der Gewinn im Übrigen vorerst einbehalten wird.
Die Ausschüttung eines Gewinnanteils oder eines sonstigen Bezugs an X kann auch nicht fingiert werden. Für den dem Rücklagenkonto zugewiesenen Betrag ist bereits kein konkreter, auszahlbarer Gewinnanspruch des X entstanden. Der Auszahlungsanspruch entsteht erst, wenn ein (späterer) auf Ausschüttung gerichteter Gewinnverwendungsbeschluss gefasst wird. X hat keine Forderung erlangt, die er aufgrund seiner beherrschenden Stellung jederzeit hätte realisieren können.
2.2 Gesellschaftsvertrag muss Vermögensbindung bei Wegfall des bisherigen Zwecks regeln
BFH, Urteil v. 26.8.2021, V R 11/20, veröffentlicht am 3.2.2022
Die Satzungsmäßigkeit des Vertrags aus 2012 war nicht Verfahrensgegenstand. Das Finanzamt hat über einen diesbezüglichen Antrag auf Feststellung der Satzungsmäßigkeit nicht entschieden. Der angefochtene Bescheid betrifft ausdrücklich nur die Satzung aus 2015, nicht auch die in der Fassung aus 2012.
Über die zwischen den Beteiligten streitigen Fragen, ob der Gesellschaftsvertrag die in § 52 Abs. 2 AO genannten Zwecke wörtlich übernehmen muss und ob bei einer Satzungsänderung die gesamte Satzung in Übereinstimmung mit der Mustersatzung zu bringen ist, war somit im Streitfall nicht zu entscheiden. Auch die Frage, ob eine wörtliche Übernahme der in der Mustersatzung (Anlage zu § 60 AO) getroffenen Festlegungen erforderlich ist, ist offengeblieben. Allerdings dürfte sich für die Praxis empfehlen, sich in der Neuformulierung der Satzung soweit wie möglich an der Mustersatzung zu orientieren.
2.3 Ist bei einer Betriebsaufspaltung die erweiterte Kürzung ausgeschlossen?
BFH, Urteil v. 16.9.2021, IV R 7/18
Der vom IV. BFH-Senat vollzogenen Rechtsprechungsänderung haben der I. und III. Senat zugestimmt. Der I. Senat geht allerdings davon aus, dass diese Überlegungen nur für den Fall gelten, dass die Besitzgesellschaft eine Personengesellschaft ist (im Streitfall die X-KG). Bei einer Besitz-Kapitalgesellschaft könnten wegen des Trennungsprinzips ("Durchgriffsverbot") weder die von ihren Gesellschaftern gehaltenen Anteile an der Betriebs-GmbH noch die mit diesem Anteilsbesitz verbundene Beherrschungsfunktion der Besitz-Kapitalgesellschaft "zugerechnet" werden. Dazu ergänzt der IV. Senat, dass – selbst wenn man die Auffassung des I. Senats teilen würde – in der unterschiedlichen Behandlung kein Gleichheitsverstoß gesehen werden könnte.
2.4 Was bei Schadensersatzansprüchen gegen den GmbH-Geschäftsführer zu beachten ist
OLG Naumburg, Urteil v. 29.4.2021, 2 U 91/20
Den Geschäftsführer einer GmbH treffen vielfältige Pflichten. Sie sind teilweise konkret im Gesetz geregelt (z. B. die Pflicht zur Kapitalerhaltung, zur Einreichung einer Gesellschafterliste nach Änderungen im Gesellschafterbestand oder zur ordnungsgemäßen Buchführung). Daneben verpflichtet § 43 Abs. 1 GmbHG sie allgemein, bei allen Angelegenheiten der Gesellschaft die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden. Verletzt der Geschäftsführer diese Obliegenheit, haftet er nach § 43 Abs. 2 GmbHG persönlich für die daraus entstandenen Schäden.
Solange der Beschluss der Gesellschafterversammlung fehlt, sind Klagen der Gesellschaft gegen den Geschäftsführer unbegründet. Um eine Klageabweisung zu vermeiden, ist daher darauf zu achten, dass ein Gesellschafterbeschluss über die Geltendmachung der Ersatzansprüche gefasst wird. Bestenfalls sollte der Beschluss vor Klageerhebung vorliegen. Es reicht aber auch aus, wenn der Beschluss – so wie im vom OLG Naumburg entschiedenen Fall – im laufenden Verfahren und sogar noch in der Berufungsinstanz nachgeholt wird.
2.5 Wenn sich Gesellschafterlisten widersprechen: Wie ist damit umzugehen?
Kammergericht Berlin, Beschluss v. 29.11.2021, 22 W 55/21
Der vom Kammergericht entschiedene Fall ist nicht überraschend oder revolutionär. Er bestätigt die feststehenden Regeln über den Umgang mit Gesellschafterlisten und klärt zudem weitere entscheidende Fragen, die typischerweise mit Beschlüssen rund um konkurrierende Gesellschafterlisten zusammenhängen.
Das Kammergericht verdeutlicht einmal mehr, dass für die Frage, wer in einer GmbH als Gesellschafter anzusehen ist und damit Gesellschafterrechte ausüben darf, nur die Gesellschafterliste entscheidend ist. Nur derjenige, der als Gesellschafter in der Gesellschafterliste aufgeführt wird, gilt gegenüber der Gesellschaft auch als solcher (§ 16 Abs. 1 GmbHG). Dabei kommt es vorrangig auf die Aufnahme der Liste in den Registerordner an. Auf den Zeitpunkt der Aufnahme in den Registerordner haben die Beteiligten jedoch keinen Einfluss, sondern nur das Handelsregister. Enthält eine neue Gesellschafterliste beispielsweise einen Zahlendreher bei den Geschäftsanteilen und...