1 Arbeitsrecht
1.1 An- und Ablegen von Uniform und Schutzausrüstung ist keine Arbeitszeit
BAG, Urteil v. 31.3.2021, 5 AZR 292/20
1.2 Covid-19-Hygienevorschriften missachtet: Beschäftigungsverbot rechtmäßig
OVG Münster, Beschluss v. 24.3.2021, 12 B 198/21
1.3 Keine räumliche Aufenthaltsbeschränkung: Hintergrunddienst ist Rufbereitschaft
BAG, Urteil v. 25.3.2021, 6 AZR 264/20
§ 7 Abs. 6 Satz 2 TV-Ärzte/TdL untersagt dem Arbeitgeber die Anordnung von Rufbereitschaft, wenn erfahrungsgemäß nicht lediglich in Ausnahmefällen Arbeit anfällt. Das trifft vorliegend zu. Der Kläger wird in etwa der Hälfte der Hintergrunddienste zur Arbeit herangezogen und leistet zu 4 % aller Rufbereitschaftsstunden tatsächliche Arbeit. In der Gesamtschau der Umstände hätte der Arbeitgeber die vom Kläger geleisteten Hintergrunddienste daher nicht anordnen dürfen.
Gleichwohl führt dies nicht zu der vom Kläger begehrten höheren Vergütung. Ein bestimmter Arbeitsleistungsanteil ist nach dem Tarifvertrag weder dem Bereitschaftsdienst noch der Rufbereitschaft begriffsimmanent. Die Tarifvertragsparteien haben damit bewusst für den Fall einer tarifwidrigen Anordnung von Rufbereitschaft keinen höheren Vergütungsanspruch vorgesehen. Diesen Willen hat der Senat respektiert.
1.4 Kürzung der betrieblichen Altersvorsorge durch Teilzeittätigkeit möglich
BAG, Urteil v. 23.3.2021, 3 AZR 24/20; Vorinstanz: LAG Hamburg, Urteil v. 19.8.2019, 8 Sa 56/18
2 Kapitalanlage & Versicherung
2.1 Arbeitsunfall auf der Toilette: Versicherungsschutz endet an der Toilettentür
LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 30.04.2020, L 10 U 2537/18
2.2 Defekter Notfallbremsassistent: Wer haftet bei einem Unfall?
OLG Frankfurt, Urteil v. 9.3.2021, 23 U 120/20
Die schuldhafte Verursachung des Unfalls durch den Auffahrenden ist anzunehmen, da für das Auffahren auf erste Sicht die Erklärungen sprechen, dass der Auffahrende entweder keinen ausreichenden Sicherheitsabstand eingehalten hat, mit überhöhter Geschwindigkeit oder unaufmerksam gefahren ist.
Zur Erschütterung des Anscheinsbeweises muss der Auffahrende den gegen ihn sprechenden Anscheinsbeweis dadurch erschüttern, dass er die Typizität des Geschehensablaufs ausräumt. Die Anforderungen hieran sind hoch.
2.3 Kleine Kratzer verschwiegen: Muss die Autoversicherung trotzdem zahlen?
OLG Dresden, Urteil v. 16.2.2021, 4 U 1909/20
Eine vorsätzliche und kausale Obliegenheitsverletzung führt zur Leistungsfreiheit des Versicherers, bei einer grob fahrlässigen und kausalen Obliegenheitsverletzung kann die Leistung des Versicherers entsprechend dem Grad des Verschuldens gemindert werden.
Ein Recht zur Leistungskürzung nach § 28 Abs. 2 VVG bei der Verletzung einer Auskunfts- oder Anzeigeobliegenheit besteht für den Versicherer nur dann, wenn der Versicherer den Versicherungsnehmer durch gesonderte Mitteilung in Textform auf diese Rechtsfolge hingewiesen hat. Aber Vorsicht: Im Fall eines arglistigen Fehlverhaltens ist der Versicherungsnehmer auch nicht schützenswert und es bedarf keiner Belehrung über die Folgen einer falschen Auskunft.
3 Lohn und Gehalt
3.1 Betrügerische Lohnsteuer-Anmeldung: Welche Korrekturvorschrift greift?
BFH, Urteil v. 30.9.2020, VI R 34/18
Die streitigen Überzahlungen gehörten nicht zum steuerpflichtigen Arbeitslohn der M. Zum Arbeitslohn rechnen zwar auch versehentliche Überweisungen des Arbeitgebers, die dieser zurückfordern kann. Die Rückzahlung ist in diesem Fall im Zeitpunkt des tatsächlichen Abflusses einkünftemindernd zu berücksichtigen. Nicht zum Arbeitslohn i. S. d. § 19 EStG gehören dagegen Beträge, die der Arbeitnehmer unter eigenmächtiger Überschreitung seiner Befugnisse auf sein Konto überweist. Im Streitfall fehlt es bereits an dem Merkmal der "Gewährung" eines Vorteils. M wurden die streitigen Beträge nicht "gewährt". Sie hat sie sich vielmehr eigenmächtig unter Überschreitung ihrer Befugnisse zugeteilt.
3.2 Wann sind Leistungen aus einem Stipendium steuerbar?
BFH, Urteil v. 11.12.2020, IX R 33/18
Der BFH kann bei einer unzutreffenden Vertragsauslegung durch das FG die Auslegung selbst vornehmen, obwohl die Vertragsauslegung grundsätzlich dem FG als Tatsacheninstanz obliegt. Der BFH legt den Fördervertrag dahin aus, dass die Einmalzahlung keine Gegenleistung für die künftige Tätigkeit und auch nicht für die Erklärung der Bereitschaft zu der künftigen Tätigkeit darstellt. Der Auslegung des Fördervertrags kommt damit entscheidende Bedeutung zu.
4 Private Immobilienbesitzer
4.1 Wohnungseigentum: Kann ein Nießbraucher einen Beschluss der Gemeinschaft anfechten?
BGH, Urteil v. 27.11.2020, V ZR 71/20
Sinn und Zweck der Anfechtungsfrist ist, für die Wohnungseigentümer und für den zur Ausführung von Beschlüssen berufenen Verwalter zumindest im Hinblick auf Anfechtungsgründe alsbald Klarheit darüber zu schaffen, ob, in welchem Umfang und aufgrund welcher tatsächlichen Grundlage gefasste Beschlüsse einer gerichtlichen Überprüfung unterzogen werden. Hierzu gehört auch die Frage, ob die Klage von einer anfechtungsberechtigten Person erhoben wurde. Diesbezügliche Klarheit besteht erst ab dem Zeitpunkt, in dem die Prozessstandschaft offengelegt wird, da erst dann ersichtlich ist, dass die Berechtigung zur Klage auf eine Ermächtigung durch einen Wohnungseigentümer gestützt wird.
5 Sonstige Steuern
5.1 Geschenkte Weltreise: Jede Leistung muss steuerlich einzeln beurteilt werden
BFH, Urteil v. 16.9.2020, II R 24/18
Der BFH weist darauf hin, wie das Finanzamt bei der erneuten Steuerfestsetzung vorzugehen hat. Es liegt keine einheitliche Zuwendung vor. Bei der Übernahme der Kosten für die Kabine und der auf dem Bordkonto gebuchten Ausgaben (Ausflüge, Restaurant, Frisör usw.) handelt es sich jeweils um einzelne Leistungen. Jede dieser Leistungen muss darauf geprüft werden, ob es sich um einen schenkungsteuerpflichtigen Vorgang handelt. Für die an Bord getätigten Ausgaben kommt auch eine Steuerbefreiung wegen Unterhaltsleistungen (§ 13 Abs. 1 Nr. 12 ErbStG) oder Gelegenheits...