4.1 Unangekündigte Wohnungsbesichtigung durch das Finanzamt ist rechtswidrig
BFH, Urteil v. 12.7.2022, VIII R 8/19
Der Schutz der Wohnung nach Art. 13 Abs. 1 GG gilt auch für das häusliche Arbeitszimmer in der Wohnung des Steuerpflichtigen.
Dass das FA zunächst die weniger belastenden Maßnahmen ergreifen muss, gilt auch dann, wenn der Steuerpflichtige in die Ortsbesichtigung eingewilligt hat. In der Praxis wird es häufig genügen, ein Foto einzureichen. Im Übrigen muss eine Wohnungsbesichtigung grundsätzlich vorher angekündigt werden (§ 99 AO).
Wird – wie hier – vom FG eine Klage fälschlich als unzulässig abgewiesen, kommt für den BFH eine Entscheidung in der Sache nur ausnahmsweise in Betracht, wenn die Klage (nach den FG-Feststellungen) zweifelsfrei begründet und es ausgeschlossen ist, dass ein weiterer Vortrag die Sachentscheidung noch beeinflussen könnte. Dieser Fall lag hier vor.
4.2 Vermietung an Angehörige: Wenn der Mietvertrag geringfügige Mängel aufweist – Folgen?
FG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 10.3.2022, 9 K 9197/20
Auch wenn einzelne Regelungen des Mietvertrags einem Fremdvergleich nicht standhalten, die Hauptpflichten, wie Nutzungsüberlassung und Mietzahlung, jedoch erfüllt werden, bedeutet dies nach Ansicht des BFH nicht in jedem Fall, dass das Mietverhältnis nicht anzuerkennen ist. Ein Mietverhältnis zwischen nahen Angehörigen entspricht aber dann nicht den Kriterien des Fremdvergleichs, wenn es in zahlreichen Punkten von den zwischen fremden Dritten üblichen Vertragsinhalten abweicht. Entscheidend ist immer die Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls. So können mehrere Unüblichkeiten, die für sich allein noch nicht zur Versagung der steuerrechtlichen Anerkennung führen würden, in der Summe allerdings den Schluss zulassen, dass ein Mietverhältnis unter nahen Angehörigen nicht anzuerkennen ist.
4.3 Wohnungseigentum: Selbstbeteiligung ist gemeinschaftlich zu tragen
BGH, Urteil v. 16.9.2022, V ZR 69/21
Der Eigentümerin der gewerblichen Einheit kann allerdings ein Anspruch auf Änderung des Verteilungsschlüssels zustehen. Voraussetzung wäre nach § 10 Abs. 2 WEG, dass ein Festhalten an der geltenden Regelung aus schwerwiegenden Gründen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Rechte und Interessen der anderen Wohnungseigentümer, unbillig erscheint. Das könnte der Fall sein, wenn die Schäden auf baulichen Unterschieden im Leitungsnetz in den Wohneinheiten einerseits und der Gewerbeeinheit andererseits beruhen. Ob diese Voraussetzungen im konkreten Fall gegeben sind, muss nun das Landgericht ermitteln, an das der BGH die Sache zurückverwiesen hat.