4.1 Wie wirkt sich ein Verlustrücktrag auf den Gesamtbetrag der Einkünfte im Entstehungsjahr aus?
BFH, Urteil v. 3.5.2023, IX R 6/21
Eine andere steuerliche Beurteilung ergibt sich nicht daraus, dass die vorliegend streitige Hinzurechnung nach § 10 Abs. 4b Satz 3 EStG nicht bei der Ermittlung der Summe der Einkünfte bzw. des GdE, sondern bei der Ermittlung des Einkommens ansetzt. Zwar bildet nach § 2 Abs. 4 EStG der GdE den Ausgangspunkt für die weitere Ermittlung des Einkommens. Die Vorschrift knüpft damit begrifflich an § 2 Abs. 3 EStG an. Die durch den Verlustrücktrag nach § 10d Abs. 1 EStG bewirkte Veränderung dieser Größe ist jedoch nicht etwa systemfremd, sondern dem Umstand geschuldet, dass der Verlustabzug nach § 10d EStG in dem durch § 2 EStG vorgegebenen Schema der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens zwischen § 2 Abs. 3 und Abs. 4 EStG zu verorten ist. Zwar bezieht sich die Formulierung "vorrangig vor Sonderausgaben" in § 10d Abs. 1 EStG auf das Rücktragsjahr. Für den Verlustvortrag gilt aber Entsprechendes. Auch er wird "vorrangig vor Sonderausgaben" abgezogen (§ 10d Abs. 2 Satz 1 EStG). In der Zusammenschau kommt verallgemeinerbar zum Ausdruck, an welcher Stelle im Schema des § 2 EStG der Verlustabzug durchzuführen ist. Für das Entstehungsjahr kann insofern nichts anderes gelten. Allerdings ist der Wortlaut des § 2 EStG insofern unscharf, als begrifflich zwischen dem GdE vor der Durchführung des Verlustabzugs (§ 2 Abs.3 EStG) und danach (§ 2 Abs. 4 EStG) unterschieden werden muss.
4.2 Wo liegt die erste Tätigkeitsstätte bei einer Soldatin auf Zeit?
FG Nürnberg, Urteil v. 8.3.2023, 5 K 211/22
Die zur Fortbildung des Rechts nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zugelassene Revision wurde nicht eingelegt und das Urteil ist rechtskräftig geworden.
4.3 Zu Verrechnung und Hinzurechnung einer Erstattung von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung für mehrere Jahre
BFH, Urteil v. 22.3.2023, X R 27/21
Da § 10 Abs. 4b Sätze 2 und 3 EStG am 1.1.2012 in Kraft getreten sind, gelten sie für alle Erstattungen, die dem Steuerpflichtigen nach dem 31.12.2011 gem. § 11 EStG zugeflossen sind bzw. zufließen. Erstattungen werden demnach auch dann im Rahmen der Verrechnung und/oder der Hinzurechnung erfasst, wenn sie auf Aufwendungen beruhen, die der Steuerpflichtige vor diesem Zeitpunkt in einem früheren Veranlagungszeitraum getätigt hat.
Soweit sich daraus eine unechte Rückwirkung ergeben sollte, wäre diese nach Ansicht des BFH jedenfalls zulässig. Sie wäre mit den grundrechtlichen und rechtsstaatlichen Grundsätzen des Vertrauensschutzes vereinbar, weil sie zur Förderung des Gesetzeszwecks der vereinfachten Rückabwicklung des Sonderausgabenabzugs geeignet und erforderlich ist und weil bei einer Gesamtabwägung zwischen dem Gewicht des enttäuschten Vertrauens und dem Gewicht und der Dringlichkeit der die Rechtsänderung rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit gewahrt bleibt.