9.1 Ambulante Pflege: Warum es die Steuerermäßigung nach § 35a EStG auch für Aufwendungen Dritter gibt
BFH, Urteil v. 12.4.2022, VI R 2/20
Bei stationärer Pflege (Heimunterbringung) kann nur derjenige die Steuerermäßigung in Anspruch nehmen, dem die Aufwendungen wegen seiner eigenen Heimunterbringung entstanden sind. Denn Steuerpflichtiger i. S. v. § 35a Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 EStG ist nach dem Gesetzeswortlauts die stationär untergebrachte oder gepflegte Person, also der Leistungsempfänger. Derjenige, der für die stationäre Unterbringung/Pflege anderer Personen aufkommt, kann für diese Aufwendungen die Steuerermäßigung nach § 35a Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 EStG daher nicht beanspruchen. Im Gegensatz dazu steht bei ambulanter Pflege die Steuerermäßigung auch dann zu, wenn die Betreuung nicht im eigenen Haushalt, sondern im Haushalt der gepflegten Person geleistet wird (§ 35a Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 EStG). Diese Unterscheidung zwischen Aufwendungen für die häusliche (ambulante) sowie die stationäre Betreuung und Pflege ist nicht widersprüchlich. Denn sie berücksichtigt, dass Steuerpflichtige bei der Betreuung von Angehörigen im häuslichen Umfeld stärker gefordert sind als bei einer Heimunterbringung.
9.2 Seminare zur Geldanlage und Persönlichkeitsentwicklung: Kein Abzug als Betriebsausgaben
FG Düsseldorf, Urteil v. 15.12.2021, 10 K 2085/17 E
Ob der klagende Ingenieur später tatsächlich ohne große Anstrengungen zu Reichtum gekommen ist, blieb offen. Fest steht aber, dass eine Steuererstattung infolge eines vorweggenommenen Betriebsausgabenabzugs hierzu nichts beigetragen hat; das Urteil ist rechtskräftig.
9.3 Tätigkeit als Diplom-Finanzwirtin mit gleichzeitigem Jurastudium: Anspruch auf Kindergeld?
BFH, Urteil v. 7.4.2022, III R 22/21
Der BFH hält an den bisherigen Abgrenzungskriterien fest. Danach ist in den Fällen der Berufstätigkeit mit gleichzeitigem Studium nicht entscheidend, ob in dem ersten Ausbildungsgang bereits ein Abschluss erreicht wurde, sondern ob während der weiteren Ausbildung (Studium) die Berufsausübung oder das Studium im Vordergrund steht. Der Fall des Abschlusses einer Qualifikation ist daher dem Fall des Abbruchs der ersten Ausbildung gleichzustellen.
Die Abgrenzung betrifft die vielen Fälle, in denen ein Hochschulstudium an ein duales Studium angehängt wird. Das Hochschulstudium kann dann mit dem (angesparten) Verdienst aus dem dualen Studium sowie aus einem aufgrund der erlangten Qualifikation neben dem Hochschulstudium ausgeübten Beruf finanziert werden. Dass dieser Ablauf längerfristig mit dem Ausbildungsbetrieb abgestimmt wird, kann wohl nicht als Kriterium für das Überwiegen der Berufstätigkeit gewertet werden. Auch dass für das Studium relativ wenig Zeit aufgewandt wird, kann nicht unbedingt nachteilig sein, da aufgrund des dualen Studiums häufig Studienleistungen angerechnet werden und bereits mehr als vertiefte Grundkenntnisse vorhanden sind, die das Hochschulstudium erleichtern.