7.1 Immobilienkauf: Kaufpreisaufteilung im Kaufvertrag darf der Abschreibung zugrunde liegen
FG München, Urteil v. 10.4.2024, 12 K 861/19
Eine Korrektur der von den Parteien getroffenen Aufteilung des Anschaffungspreises auf Grund und Boden und Gebäude ist lediglich geboten, wenn sie die realen Wertverhältnisse in grundsätzlicher Weise verfehlt und wirtschaftlich nicht haltbar erscheint. Eine Abweichung zwischen der vertraglich vereinbarten AfA-Bemessungsgrundlage und der von einem Sachverständigengutachten ermittelten AfA-Bemessungsgrundlage von weniger als 10 % ist unbeachtlich.
7.2 Insolvenz: Anspruch gegenüber Finanzamt auf sofortige Erstattung gezahlter Umsatzsteuer
FG Baden-Württemberg, Urteil v. 6.12.2023, 14 K 1423/21
Der sog. Reemtsma-Anspruch beruht auf dem EuGH-Urteil v. 15.3.2007, C-35/05 (Reemtsma Zigarettenfabriken). Nach Ansicht des BFH ist dieser im Rahmen eines Billigkeitsverfahrens (§ 163 AO, 227 AO) zu gewähren. Die Finanzverwaltung hat hierzu mit BMF, Schreiben v. 12.4.2022, III C 2 - S 7358/20/10001 :004, BStBl 2022 I S. 652, ein "restriktives" BMF-Schreiben erlassen, wonach über einen geltend gemachten Direktanspruch so lange nicht entschieden werden kann, wie eine Inanspruchnahme des Fiskus durch den Leistenden aufgrund einer Berichtigung des Steuerbetrags rechtlich möglich ist. Daher kann z. B. im Insolvenzverfahren nach Ansicht der Finanzverwaltung regelmäßig erst nach Abschluss dieses Verfahrens über den Direktanspruch entschieden werden. Das FG hat dem klar widersprochen, zumal der Insolvenzverwalter im Streitfall bereits zu erkennen gegeben hatte, dass die Klägerin mit ihren Forderungen gegen den Leistenden ausfallen würde. Mit EuGH, Urteil v. 5.9.2024, C-83/23 (H GmbH), hat der EuGH über die Vorlage des BFH entschieden – und zwar zu Lasten der Klägerin, der Reemtsma-Anspruch wurde abgelehnt. In diesem Streitfall, in dem es um den Verkauf von Motorbooten unter Ausweis deutscher Umsatzsteuer ging, die allerdings faktisch in Italien geliefert worden waren, hatte das Finanzamt den zunächst erhaltenen Steuerbetrag wieder an den Lieferanten ausgezahlt. In einem solchen Fall greift der Reemtsma-Anspruch nicht, da die Finanzverwaltung die Steuer ansonsten zweimal auszahlen müsste. Der EuGH hat dabei betont, dass die Möglichkeit der Erstattung der Umsatzsteuer nach den Grundsätzen der Reemtsma-Entscheidung eine Ausnahme darstellt. Diese Möglichkeit sei nur dann eröffnet, wenn die Beitreibung der Mehrwertsteuer beim Lieferer oder Dienstleistungserbringer unmöglich oder übermäßig erschwert ist. Dies setze aber voraus, dass der Erwerber oder Dienstleistungsempfänger alle Möglichkeiten ausgeschöpft hat, um seine Rechte anderweitig geltend zu machen. Im Streitfall hätte die Antragstellerin gegen den Insolvenzverwalter des Dienstleistungserbringers eine zivilrechtliche Klage auf Erteilung einer Rechnung mit italienischem Mehrwertsteuerausweis erheben können, was sie nicht getan hat. Der Umstand, dass sich der Dienstleistungserbringer in einem Insolvenzverfahren befindet, sei dabei nicht relevant.
Da die Problematik äußerst vielschichtig ist, kann sie hier nur kurz angerissen werden. Fakt ist aber, dass sich die Praxis von der aktuellen EuGH-Entscheidung mehr erhofft hätte. Insoweit gilt es, die weiteren anhängigen Verfahren abzuwarten, insbesondere die Umsetzung der aktuellen EuGH-Entscheidung durch den BFH.
Gegen das Urteil des FG Baden-Württemberg wurde zwischenzeitlich seitens der Finanzverwaltung Revision eingelegt, Az beim BFH XI R 11/24. Auch aus diesem Revisionsverfahren dürften sich (hoffentlich) weitere Erkenntnisse für die Praxis zur Handhabung des Reemtsma-Anspruchs in Insolvenzfällen gewinnen lassen.
7.3 Steuerfreie Photovoltaikanlage: Darf ein Investitionsabzugsbetrag rückgängig gemacht werden?
BFH, Beschluss v. 15.10.2024, III B 24/24 (AdV)
Der Meinungsstand im Schrifttum ist uneinheitlich und bestätigt die derzeit noch bestehende Unsicherheit der Gesetzesauslegung. Die Frage, wie mit einem Investitionsabzugsbetrag zu verfahren ist, der vor dem 1.1.2022 in Anspruch genommen und noch nicht wieder gewinnerhöhend hinzugerechnet wurde, wird für den Fall, dass nach dem 31.12.2021 in eine nach § 3 Nr. 72 EStG begünstigte Photovoltaikanlage investiert wird, als äußerst umstritten beschrieben. Zum Teil wird die Auffassung der Finanzverwaltung geteilt. Die Gegenmeinung hält eine Gewinnkorrektur im Jahr der Anschaffung der Photovoltaikanlage trotz der Einführung des § 3 Nr. 72 EStG für möglich.
Auf verfassungsrechtliche Bedenken gegenüber der Rückgängigmachung des Investitionsabzugsbetrags im Abzugsjahr und auf die Frage, ob insoweit ein qualifiziertes Aussetzungsinteresse zu fordern ist, kommt es hiernach nicht mehr an.
7.4 Unentgeltliche Übertragung eines verpachteten Gewerbebetriebs: steuerliche Folgen?
BFH, Urteil v. 8.8.2024, IV R 1/20
Wird ein Betrieb, ein Teilbetrieb oder der Anteil eines MU-Anteils an einem Betrieb unentgeltliche übertragen, kommt es nach Maßgabe von § 6 Abs. 3 EStG zur Buchwertfortführung. Diese seit 1999 geltende Regelung war zuvor in § 7 Abs. 1 EStDV geregelt.
Die unentgeltliche Übertragung eines gewerblichen Betriebs unter Vorbehaltsnießbrauch fällt – anders als gegen Versorgungsleistungen – nicht unter § 6 Abs. 3 Satz 1 EStG (vormals § 7 Abs. 1 EStDV), weil vom Vorbehaltsnießbraucher mangels Einstellung der gewerblichen Tätigkeit weit...