Prof. Dr. Stefan Schneider
Leitsatz
Der "ohnehin geschuldete Arbeitslohn" ist der arbeitsrechtlich geschuldete. "Zusätzlich" zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn i.S.d. §§ 3 Nr. 33, 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 EStG werden nur freiwillige Arbeitgeberleistungen erbracht. Nur solche schuldet der Arbeitgeber nicht ohnehin.
Normenkette
§ 3 Nr. 33, § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5, § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG
Sachverhalt
Steuerberatung K vereinbarte mit ihren 30 Arbeitnehmern, die Gehaltsstruktur ab Mitte 2005 zu ändern. Teilbeträge des Gehalts wurden danach als steuerfreie oder nur pauschal zu besteuernde Sachbezüge und Leistungen erbracht. Dazu wurden in neuen Arbeitsverträgen die bisherigen Bruttolöhne herabgesetzt und um monatliche Zusatzleistungen ergänzt: Internetpauschale, Krankheitskostenzuschuss, Kindergartenzuschuss, Zuschüsse für Telekommunikation/Handy. Sollten die Voraussetzungen dafür entfallen, musste K entsprechende Zahlungen erbringen. FA und FG (Niedersächsisches FG, Urteil vom 16.6.2011, 11 K 192/10, Haufe-Index 2762738, EFG 2012, 536) sahen die Zusatzleistungen nicht als "zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn" erbracht an, weil auch auf diese Zusatzleistungen jeweils ein arbeitsvertraglicher Anspruch bestanden habe, und verneinten zudem die Steuerfreiheit für Krankheitskostenzuschüsse aus Billigkeitsgründen.
Entscheidung
Der BFH bestätigte mit den unter den Praxis-Hinweisen erläuterten Erwägungen das Urteil des Finanzgerichts.
Hinweis
Der Streitfall betrifft die im EStG mehrfach verwendete Tatbestandsvoraussetzung "zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn". Nur dann sind Arbeitgeberzuschüsse pauschal zu besteuern (Internetpauschale, § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 EStG) oder sogar steuerfrei (Kindergartenzuschuss § 3 Nr. 33 EStG); Entsprechendes gilt für Zuschüsse für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte (§ 40 Abs. 2 Satz 2 EStG).
1. Nachdem vor drei Jahren schon in einem Barlohnumwandlungsfall der VI. Senat entschieden hatte, dass "ohnehin geschuldet" sich nach arbeitsrechtlichen Grundsätzen bestimmt (BFH, Urteil vom 1.10.2009, VI R 41/07, BFH/NV 2010, 505, BFH/PR 2010, 134), der "ohnehin geschuldete Arbeitslohn" also der ist, auf den zumindest im Zeitpunkt der Zahlung ein verbindlicher Rechtsanspruch besteht, war die Entscheidung im Besprechungsurteil hier schon vorgezeichnet: "zusätzlich" zum "ohnehin geschuldeten Arbeitslohn" sind nur freiwillige Arbeitgeberleistungen. Denn nur die schuldet der Arbeitgeber nicht ohnehin.
2. Die Voraussetzung "zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn" wurde eingeführt, damit regulär besteuerter Arbeitslohn nicht in steuerfreie Zuschüsse umgewandelt wird, so die einschlägigen BT-Drucksachen. Angesichts dessen konnte ein redaktionelles Versehen oder eine sprachliche Ungenauigkeit der gesetzlichen Regelungen ausgeschlossen werden, zumal der Gesetzgeber auch ansonsten zwischen z.B. Grundlohn und Zuschlägen (dazu BFH, Urteil vom 17.6.2010, VI R 50/09, BFH/NV 2010, 1913, BFH-PR 2010, 416) oder Barlohn und Sachlohn unterscheidet.
3. Hier hatte K die Zusatzleistungen in den neuen Arbeitsverträgen zugesagt, ihre Arbeitnehmer hatten darauf einen vertraglichen Anspruch, die Zusatzleistungen waren also nicht zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erbracht. Schließlich konnte sich K auch nicht auf R 21c Satz 7 LStR 2005 berufen. Denn nach Verwaltungsauffassung lag eine schädliche Barlohnumwandlung vor (R 21c Satz 4 LStR 2005).
Beratungshinweis: Zusatzleistungen sollten jedenfalls unter einem Freiwilligkeitsvorbehalt erbracht werden. Aber insbesondere unter Berücksichtigung des arbeitsrechtlichen Instituts der betrieblichen Übung verengt diese Vorgehensweise den Anwendungsbereich der Pauschalierungs- und Begünstigungsnormen dennoch deutlich; letztlich ist hier der Gesetzgeber gefordert.
4. Das Urteil sorgt noch in einem weiteren Punkt für Klarheit: die Verwaltungsregelung, die für Krankheitskostenzuschüsse eine Steuerbefreiung aus Billigkeitsgründen enthält (R 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 LStR 2005; R 3.11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 LStR 2011) verlangt eine Überweisung der Geldmittel. Der BFH folgte insoweit nicht Ks Einwand, dass auch ein "Zurverfügungstellen" genüge. Denn insoweit kann die Verwaltung in der Ermessensrichtlinie eigenständig regeln, wie sie den Begriff "überweist" versteht und verstanden wissen will.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 19.9.2012 – VI R 54/11