Dipl.-Finanzwirt Werner Becker
Leitsatz
Die Familienkassen der Bundesanstalt für Arbeit sind voneinander verschiedene, selbstständige Behörden. War die Ausgangsbehörde für den Erlass des Ausgangsbescheids unzuständig, kann nicht die Behörde, die für den Erlass des Ausgangsbescheids zuständig gewesen wäre, die Einspruchsentscheidung erlassen.
Sachverhalt
Nach einem Beschluss des Vorstands der Bundesanstalt für Arbeit ist für Antragsteller mit Wohnsitz in Berlin die Familienkasse Berlin-Brandenburg zuständig. Dagegen ist die Familienkasse Sachsen zuständig, wenn auf den Anspruchsberechtigten oder einen anderen Elternteil über- bzw. zwischenstaatliche Rechtsvorschriften anzuwenden sind und der Anspruchsberechtigte oder der andere Elternteil bzw. ein anspruchsbegründendes Kind ihren Wohnsitz u. a. in Polen haben.
Die in Berlin wohnhafte Klägerin ist von ihrem in Polen lebenden Ehemann geschieden. Die Tochter lebt und studiert in Polen. Die Klägerin beantragte bei der Familienkasse Berlin-Brandenburg Kindergeld für ihre Tochter. Diese lehnte den Antrag mit der Begründung ab, dass Kindergeld nur dem Vater gewährt werden könne.
Im Einspruchsverfahren machte die Klägerin u. a. geltend, dass die Familienkasse Berlin-Brandenburg nicht zuständig sei. Daraufhin hat die Familienkasse Berlin-Brandenburg den Einspruch an die Familienkasse Sachsen zu weiteren Bearbeitung abgegeben. Diese wies den Einspruch als unbegründet zurück.
Entscheidung
Das Finanzgericht hat der Klage auf isolierte Aufhebung der Einspruchsentscheidung stattgegeben, weil die Familienkasse Sachsen für deren Erlass sachlich unzuständig war.
Die Zuständigkeit hierfür ergibt sich aus § 367 Abs. 1 Satz 1 AO. Danach entscheidet diejenige Finanzbehörde über den Einspruch, die den (ursprünglichen) Verwaltungsakt (Ausgangsbescheid) erlassen hat. Dabei handelt es sich um eine Regelung über die sachliche, nicht über die örtliche Zuständigkeit.
Etwas anderes ergibt sich hier nicht etwa ausnahmsweise deshalb, weil die Ausgangbehörde unzuständig war und die Behörde, die die Einspruchsentscheidung erlassen hat, für die Ausgangsentscheidung zuständig gewesen wäre. Der in Steuerrechtsliteratur vereinzelt vertretenen Auffassung, wonach bei gebundenen Entscheidungen die Ausgangsbehörde auf Einspruch hin bei erkannter eigener Unzuständigkeit auch berechtigt sei, dem Einspruch nicht abzuhelfen und die Entscheidung über den Einspruch der für die Ausgangsentscheidung wirklich zuständigen Behörde zu überlassen, folgt das Finanzgericht in Anbetracht des klaren Wortlaut des § 367 Abs. 1 Satz 1 AO nicht.
Hinweis
Das Finanzgericht hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen, weil Fälle mit solcher Zuständigkeitsproblematik inzwischen gehäuft vorkommen und die in Rede stehenden Rechtsfragen höchstrichterlich noch nicht geklärt sind. Die zwischenzeitlich von der Familienkasse Sachsen eingelegte Revision wird beim BFH unter dem Az. VI R 33/15 geführt.
Link zur Entscheidung
FG Berlin-Brandenburg, Gerichtsbescheid vom 23.04.2015, 3 K 3006/15